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Zwei Persönlichkeiten - Topmanagern, Forschern, Meinungsführern - tauschen sich über Erfahrungen, Analysen, Standpunkte zu einem strukturgebenden Thema in Bezug auf digitale Transformation und Energiewende.

Angesichts des weltweit steigenden Stromverbrauchs, der Notwendigkeit des Energiesparens, der endlichen fossilen Energiequellen und der zunehmenden Forderungen nach erneuerbaren Energiequellen müssen sich die Stromnetze anpassen. Olivier Monié, Markendirektor von Omexom, einer Marke von VINCI Energies, spricht mit Radek Lucký, Geschäftsführer von E.ON in Tschechien, über die umweltfreundlichen Möglichkeiten von Smart Grids für Verbraucher und agile Unternehmen.

Stromnetze müssen sich anpassen. Eine Möglichkeit ist, sie intelligenter zu machen. Wie ist das Ihrer Meinung nach möglich?

RADEK LUCKÝ. Ein effizienter Netzbetrieb ist von entscheidender Bedeutung für einen gut funktionierenden Energiemarkt. Verteilnetzbetreiber (VNB) spielen hier eine wichtige Rolle als neutrale Marktmittler. Sie sind für den sicheren Systembetrieb verantwortlich. So müssen sie beispielsweise gewährleisten, dass alle Versorger ihre Kunden diskriminierungsfrei beliefern können. In den nächsten Jahren werden die VNB neue Möglichkeiten bekommen, um Energieverbrauchern und der Energiebranche im Allgemeinen vorteilhafte Lösungen anbieten zu können. Neue Technologien ermöglichen es den Verbrauchern, mit dem Markt zu interagieren, so dass sich Rolle und Kultur der VNB ändern könnten. Die VNB werden immer stärker für die Netzstabilität sorgen müssen, insbesondere auf lokaler Ebene.

OLIVIER MONIÉ. Eine große Herausforderung besteht in der Anpassung gewachsener Strukturen und der Erarbeitung verständlicher, fairer Regeln zur Verteilung der Erlöse unter den Beteiligten. Wie heute auch schon werden diese Regeln vom Land und den alteingesessenen Marktteilnehmern abhängen. Sie sind eng an die Energiepolitik des jeweiligen Staats und die Art und Weise geknüpft, wie die Politik sicherstellen möchte, dass ausnahmslos alle Bürger mit Strom versorgt werden. Auch in Europa gibt es da unterschiedliche Lösungen. Wenn man das französische und das deutsche Regulierungssystem vergleicht, gibt es signifikante Unterschiede, die zu großen Preisdifferenzen führen. Das hat zur Folge, dass jeweils andere intelligente Netzlösungen umgesetzt werden müssen. Außerdem können technische Entscheidungen und Gegebenheiten unterschiedlich ausfallen. Dementsprechend sind die Lösungen der VNB länderspezifisch, obwohl die Anforderungen an Neutralität und Qualität ähnlich sind.

RADEK LUCKÝ. Wie Sie sagten, ist jeder Markt, jedes Land anders, und der Ansatz der Regulierungsbehörden kann sehr unterschiedlich sein – das liegt hauptsächlich in der Historie begründet. Wir haben vier allgemeine Prinzipien identifiziert, die für alle VNB gelten sollten: Sie müssen ihr Geschäft so führen, dass die angemessenen Erwartungen der Netznutzer und anderer Beteiligter erfüllt werden, und dazu gehören auch neue Marktteilnehmer und Geschäftsmodelle; sie müssen in ihrem Kerngeschäft als neutrale Marktmittler handeln; sie müssen all dies im öffentlichen Interesse tun sowie Kosten und Nutzen der verschiedenen Aufgaben abwägen; und sie müssen dafür sorgen, dass die Verbraucher über ihre Daten selbst bestimmen können.  Die VNB müssen zunehmend auf Innovation setzen und smarte Lösungen beim Netzmanagement testen.

Man geht davon aus, dass die Fortschritte bei Photovoltaik und Stromspeichern den Trend zu Eigenverbrauch und Micro-Grids beschleunigen. Dies könnte für geringere Einnahmen bei den Betreibern sorgen und Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell haben. Wie wollen Sie den Umsatzrückgang ausgleichen und diese Herausforderung in eine Chance verwandeln?

RADEK LUCKÝ. Es versteht sich von selbst, dass jeder, der an das Netz angeschlossen ist, in fairer Weise an den Netzkosten beteiligt werden muss. Die Diskussion über Tarife und faire Preise könnte schon bald anlaufen. Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist – wie bereits erwähnt – unsere unternehmerische Antwort auf ein veränderliches Marktumfeld. Und in diesem Bereich ist E.ON sehr aktiv. Derzeit führen wir Pilotprojekte mit kleinen und großen Batterien für verschiedene vertriebliche Zwecke durch. Wir erwarten dramatische Einbrüche bei den Batteriepreisen, was neben den bereits gewährten Zuschüssen für eine noch schnellere Verbreitung sorgen wird.

OLIVIER MONIÉ. Normalerweise glauben die Leute, dass große Verteilnetze und lokale Micro-Grids einander ausschließen, aber das stimmt nicht. In Zukunft werden sie nebeneinander existieren, und es müssen Lösungen für die Erlösaufteilung entwickelt werden. Komplementäre Bereiche müssen geklärt und verstärkt werden. Und hier rede ich über die Lage auf bestimmten Märkten, etwa in Deutschland. Dort kommt es häufig vor, dass Micro-Grids errichtet werden und kleine Gemeinden die lokal erzeugte Energie vor Ort verbrauchen. Über 1000 Kommunen nutzen lokal produzierten Strom. Auch in Frankreich gehen viele lokale Behörden davon aus, dass es vermehrt zu lokalem Eigenverbrauch kommen wird. Beteiligte und Behörden vor Ort würden sich über die Entwicklung solcher Lösungen freuen. Weil sie gleichzeitig unsere Kunden sind, wollen wir natürlich maßgeschneiderte Antworten auf ihre Erwartungen liefern. Technische und wirtschaftliche Verbesserungen werden solche Lösungen immer effizienter machen und ihre Akzeptanz erhöhen. In unseren Augen können die Micro-Grids für die Hauptnetze von Nutzen sein, indem sie Investitionen und die Spannungsregelung übernehmen.

RADEK LUCKÝ

Die neuen Technologien ermöglichen es den Verbrauchern, mit dem Markt zu interagieren, so dass sich Rolle und Kultur der Verteilnetzbetreiber ändern könnten.

Welche Änderungen bringen Smart Grids für Industrie- und Privatkunden mit sich?

RADEK LUCKÝ. Verteilnetzbetreiber spielen auch in Zukunft eine wichtige Rolle für die Netzstabilität, insbesondere auf lokaler Ebene. Insbesondere muss ein Smart Grid die Einspeisung von Strom aus vielfältigen, weit auseinanderliegenden Quellen ermöglichen, etwa aus Windkraftanlagen, Solarkraftwerken, PV-Anlagen und vielleicht auch aus elektrischen Plug-in-Hybridfahrzeugen. Und weil bisher ausschließlich intermittierende regenerative Energiequellen entwickelt wurden, muss ein Smart Grid in der Lage sein, flexibel Strom für die spätere Nutzung zu speichern, etwa in Batterien, Schwungrädern, Superkondensatoren oder eben Plug-in-Hybridfahrzeugen. Last but not least muss ein Smart Grid zur Verbesserung der Ausfallsicherheit neue, ausgeklügelte Algorithmen zur Überwachung von Stromerzeugung und -verteilung einsetzen.

OLIVIER MONIÉ. Strom aus lokalen Quellen wie Photovoltaikmodulen, Windparks oder Biogasanlagen ist natürlich eine umweltfreundliche Lösung. Manche Verbraucher möchten einen Teil ihres Stroms selbst herstellen. Die Verteilnetze sind auf die Aufnahme dieser Energie nicht ausgerichtet und müssen entsprechend angepasst werden. Stromnetze intelligenter zu machen, beschränkt sich nicht auf die Implementierung von entsprechender Technik, sondern erfordert auch Lösungen für die Interaktion zwischen Netz und Verbraucher. Ein typisches Beispiel dafür ist die Laststeuerung (Demand/Response). Immer häufiger wird diese Lösung zur Übertragungsnetzregelung eingesetzt; nach und nach wird sie auch bei Verteilnetzen zum Tragen kommen. Am Ende werden die Stromkosten sowohl für industrielle als auch für private Verbraucher sinken.

RADEK LUCKÝ. Die Verbraucher wissen um die Möglichkeiten, die ihnen Smart Grids und elektronische Stromzähler bieten, aber es ist letztlich immer eine Frage des Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Allerdings stellt sich bei der Implementierung intelligenter Netztechnik nicht die Frage des „ja“ oder „nein“, sondern nur des „wann“.

OLIVIER MONIÉ

Die Leute glauben, dass große Verteilnetze und lokale Micro-Grids einander ausschließen, aber das stimmt nicht.

Derzeit bedecken Städte noch nicht einmal 2 % der Erdoberfläche, aber in ihnen wohnen 50 % der Weltbevölkerung, sie stehen für 75 % des Energieverbrauchs und 80 % der globalen CO2-Emissionen. Was tun Städte dafür, um effizienter mit Energie umzugehen?

RADEK LUCKÝ. Wir wollen mit unserem Know-how und dem Projekt „Smart City“ Städte energieeffizienter machen, um ihre Emissionen zu reduzieren. Das erfordert die Implementierung von Energiesparmaßnahmen. Dazu tauschen die Stadtverwaltungen ihre alte Straßenbeleuchtung gegen neue, effiziente LED-Laternen aus und fördern durch die Anpassung ihrer Flotten saubere Mobilität. Erdgas- und Elektrofahrzeuge spielen eine stärkere Rolle. Auch Gebäude werden nach strengeren Energiestandards errichtet, in Tschechien wird der Gebäudebestand nach neuen Normen saniert. Das ist ein wichtiger Schritt. Angesichts der geplanten EU-Ziele zur städtischen Elektromobilität muss das Netz wirklich angepasst werden, denn die Ladeinfrastrukturen brauchen zusätzliche Leistung, die in den kommenden Jahren von den Systembetreibern zur Verfügung gestellt werden muss.

OLIVIER MONIÉ. Durch ihre Marke Citeos bietet VINCI Energies Stadtverwaltungen bereits seit dreißig Jahren energiesparende Stadtbeleuchtungslösungen an, die auch die Servicequalität erhöhen. Zuerst nutzen wir dafür nur Technik und ein ausgefeiltes Betriebsmanagement. Heute führen wir smarte Technologien ein, um je nach Uhrzeit und Verkehr genau die richtige Lichtmenge zu erzeugen. In manchen Städten kombinieren wir die Stadtbeleuchtung mit Sonnenenergie aus PV-Modulen oder Wasserkraft aus dem nahe gelegenen Fluss. Stromspeicherung mit Batterien ist heute eine gangbare Lösung, um diese Kombination aus Erzeugung und Verbrauch, einschließlich Elektromobilität, in einem virtuellen Netz zu optimieren. Wir wollen den Stromverbrauch unserer Städte dramatisch reduzieren.

Wie sieht es mit der Entwicklung von intelligenten Städten in Tschechien aus?

RADEK LUCKÝ. In der Tschechischen Republik ist das ein sehr aktuelles Thema. Wir haben in über 20 Städten zwischen 10.000 und 50.000 Einwohnern entsprechende Projekte umgesetzt. Smart City-Projekte sind kritisch für die Stadtentwicklung, die bisher hauptsächlich in der Stadtgeschichte begründet lag: So gibt es mancherorts Kraftwerke mitten in der Innenstadt. In anderen Ballungsräumen liegen sie außerhalb. Das Smart City-Konzept steckt in der Tschechischen Republik noch immer in den Kinderschuhen. Am weitesten vorne sind Pisek, Kyjov (Gaya), Třebíč (Trebitsch) und Brno (Brünn) – alles Projekte, an denen wir beteiligt sind.

OLIVIER MONIÉ. In Pisek arbeiteten wir zusammen. Wir haben Lösungen für Stadtbeleuchtung, Elektromobilität, Stromspeicherung entwickelt. Wir kennen uns auch hervorragend mit Verkehrsmanagement, Parkraumbewirtschaftung und allgemein der Schaffung von lebenswerteren Städten aus. Wir bieten unseren Kunden solche experimentellen Projekte an, erstellen maßgeschneiderte Angebote und setzen auf unsere Teams und Partner (Hochschulen, Start-Ups, Verbände usw.), um Lösungen für die Stadt von morgen zu errichten. Derzeit laufen allein in Frankreich 20 Projekte, welche die ganze Themenvielfalt unseres bereichsübergreifenden Ansatzes in Sachen Smart City zeigen: Nachhaltige Mobilität, Energieautonomie, Bürgerbeteiligung, neue Geschäftsmodelle und vieles mehr.

RADEK LUCKÝ. Auf Grundlage unserer erfolgreichen Zusammenarbeit in Pisek haben wir mit Ihnen und weiteren Partnern bzw. Hochschulen an der Gründung des so genannten „Tschechischen Smart City-Clusters“ mitgewirkt. Grundlegendes Ziel ist die Vermarktung des Smart City-Konzepts in ganz Tschechien und die Zusammenarbeit mit der staatlichen Verwaltung, was Städten bisweilen schwerfällt. Der Cluster soll die Lebensqualität der Bürger verbessern und fördert Energiesparen, regenerative Energien, Energieversorgung und Umweltschutz.

Eines der Hauptmerkmale einer Smart City ist das große Datenvolumen, das zwischen allen Beteiligten ausgetauscht wird. Diese Daten müssen immer schneller ausgewertet werden; ein weiteres Thema ist die Datensicherheit. Werden Sie also zunehmend zum Datenlieferanten, und wenn ja für welche Dienste?

RADEK LUCKÝ. Elektronische Stromzähler sind hier der Türöffner. Die Systembetreiber haben dabei die Möglichkeit, ihre bestehende passive Infrastruktur zu nutzen und sich am Datenmarkt zu beteiligen. Die aktuellen Datennetze in den Städten erfüllen nicht die Anforderungen des Internets der Dinge, dessen Implementierung ja gerade erst begonnen hat. Deshalb müssen diese Netze ausgebaut werden. Für Systembetreiber liegt darin die Chance, in der Stadt der Zukunft deutlich an Effizienz zu gewinnen.

OLIVIER MONIÉ. Die Verbraucher werden immer mehr zu Prosumern und brauchen Daten, um ihr eigenes elektrisches System auszutarieren. Eine bedeutende Herausforderung liegt in der Zusammenführung von Daten und der Bereitstellung einer auf die jeweilige Nutzung angepassten Schnittstelle. Wenn die Leute immer erst darüber nachdenken müssen, wie sie Strom verbrauchen, kann es nicht funktionieren – aber wenn die Berücksichtigung der aktuellen Netzauslastung zu einem natürlichen Reflex wird, bekommen wir smarte Verbraucher, die mit dem Stromnetz interagieren. Städte werden zu aktiven Prosumern, die wir gemeinsam auf dem Weg zur Smart City unterstützen können. Neue Technologien wie etwa Blockchains werden wahrscheinlich auch in Ballungsräumen die Bedingungen für mehr Interaktion zwischen den Bürgern und ihrer Stadt schaffen. Wir müssen offen sein für verschiedene Akteure wie Start-Up-Unternehmen, Hochschulen oder Cluster, um maßgeschneiderte Lösungen umzusetzen. Es gibt bereits Beispiele dafür, was wir mit dieser Datenflut anfangen können: etwa die Digitalisierung der Leitsysteme von Schaltanlagen oder die Verwendung von bisher ungenutzten Informationen wie beispielsweise Wetterdaten.

E.ON und wir können gemeinsam viel dazu beitragen, um Städte smarter zu machen!

RADEK LUCKÝ

RADEK LUCKÝ

Radek Lucký, Geschäftsführer von E.ON in Tschechien

OLIVIER MONIÉ

OLIVIER MONIÉ

Olivier Monié, Markendirektor von Omexom, einer Marke von VINCI Energies

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