Implementierung einer neuen Umwelt-Roadmap, Auslobung eines Umweltpreises… Isabelle Spiegel, seit August 2019 Umweltdirektorin bei VINCI, über die Umweltziele des Konzerns.
Im Januar 2020 veröffentlichte VINCI die neue Umwelt-Roadmap. Handelt es sich dabei lediglich um die Fortsetzung der bereits laufenden Maßnahmen oder um eine spürbare Beschleunigung?
Isabelle Spiegel. Das VINCI-Konzernmanifest enthält seit 2009 unsere Selbstverpflichtung „Gemeinsam für grünes Wachstum“. Bis 2020 wollten wir unsere Treibhausgasemissionen um 30 % senken, hier sind wir auf der Zielgeraden. Um die Erderwärmung wirklich auf 2°C zu beschränken, müssen wir aber noch deutlich mehr tun. Mit unserer neuen Umwelt-Roadmap legen wir deshalb ein neues Ziel für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes fest, nämlich 40 % bis 2030.
Inwiefern hat die Coronakrise die Ausgangslage verändert?
Isabelle Spiegel. Der VINCI-Konzernvorstand hat einstimmig beschlossen, trotz Pandemie weiter an der Verbesserung des Umweltschutzes zu arbeiten. Diese Maßnahmen sind unerlässlich – nicht nur im Interesse unseres Planeten, sondern auch für den Fortbestand unseres Geschäfts. Wir haben Ziele für die nächsten zehn Jahre festgelegt. Auch in der Coronakrise gibt es daher keinen Grund, zurückzustecken. Allerdings ist angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen Lage eine kurzfristige Anpassung erforderlich. Bestimmte Maßnahmen könnten um wenige Monate verschoben werden. Umgekehrt müssen wir bei anderen Themen umso stärker auf‘s Tempo drücken, insbesondere bei umweltfreundlichen Lösungen für mehr Wachstum. Wir müssen mit „grünen“ Lösungen aus der Krise herauskommen, da sind sich alle einig.
Welche Hebeleffekte nutzt der Konzern zur Erreichung seiner Umweltziele?
Isabelle Spiegel. Eine der Stärken unseres Konzerns ist sicherlich, dass wir uns gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden engagieren und unsere Ziele erreichen. Das ist beispielsweise bei der Arbeitssicherheit der Fall. Auch bei der Umsetzung unserer neuen Roadmap möchten wir alle 222.000 VINCI-Beschäftigten in den Wandel einbinden. Das erfordert natürlich gemeinsame Tools und Regelwerke, aber mit einem dezentralen, agilen Ansatz, angepasst an Geschäftsfelder, Kunden, Märkte, Regionen. Jede_r legt also selbst eigene Prioritäten fest, um die CO2-Emissionen um 40 % zu senken.
Sind 40 % ein Mittelwert für den gesamten VINCI-Konzern?
Isabelle Spiegel. Ja. Die Zahl ergibt sich aus der Konsolidierung der Aktionspläne, die über mehrere Monate hinweg von den Sparten erarbeitet wurden: 50 % Verringerung bei VINCI Construction und VINCI Airports, 30 % bei Eurovia, 40 % bei VINCI Energies.
Welche Hemmnisse gibt es bei der Umsetzung der neuen Roadmap?
Isabelle Spiegel. Es hat tatsächlich ein Umdenken stattgefunden, in diesem Bereich gibt es nicht mehr viele Hindernisse. Aber die wirtschaftliche Umsetzung ist je nach Land und Geschäftsfeld nicht immer so einfach. So sind die Energiepreise in Nordamerika viel niedriger als in Europa, und das hat signifikante Auswirkungen auf den Return on Investment. Außerdem haben nicht alle Kunden klare Umweltanforderungen aufgestellt. Das kann ein Hemmschuh sein in einem Konzern wie VINCI, wo alles auf tadellose Ausführungsqualität und gewissenhafte Umsetzung der Kundenanforderungen ausgerichtet ist. Hier müssen wir selbst aktiv werden, uns trauen, die Kunden anzusprechen und Lösungen anzubieten!
„Der Umweltpreis soll Kräfte bündeln und Best Practices verbreiten.“
IT und Digitalisierung – Problem oder Lösung?
Isabelle Spiegel. Digitale Technik steht weltweit für etwa 4 % des CO2-Ausstoßes. Ein recht geringer Anteil, aber mit hohen Zuwachsraten. Bekanntlich gehen 50 % der weltweiten Treibhausgasemissionen auf das Konto von Gebäuden und Verkehr. Das sind unsere Branchen, und hier gibt es auch die größten Hebeleffekte. Aber in Sachen IT müssen wir das Anwachsen der Emissionen stoppen und deshalb auf leistungsfähige technologische Lösungen setzen. Technik allein wird da nach allgemeiner Einschätzung aber nicht ausreichen. Die „kleinen Dinge“ im Alltag bringen ebenfalls einen großen Hebeleffekt, und hier sind wir alle gefragt. Mit einem Hybridbagger auf der Baustelle kann ich meine Emissionen um 20 bis 20 % senken, mit einem umweltbewussten Fahrstil um weitere 15 bis 20 %. Und wenn jede_r unserer 222.000 Mitarbeitenden an 200 Tagen im Jahr täglich nur 10 Emails aus dem Papierkorb löscht, verringert das die Gesamtemissionen des Konzerns um bereits 0,2 %.
Wie messen Sie den Erfolg der Maßnahmen?
Isabelle Spiegel. Wir haben drei Handlungsbereiche festgelegt: Kampf gegen den Klimawandel, optimierte Ressourcennutzung durch Kreislaufwirtschaft, Naturschutz. Die Erfolgsmessung findet auf zwei Ebenen statt: Auf Konzernebene erfassen wir Umweltkennzahlen (darunter die Treibhausgasemissionen); vor Ort in den Geschäftsfeldern und bei den Kunden gibt es Umsetzungsindikatoren, die sehr dezentral gesteuert werden.
Wie managen und steuern Sie alle diese Maßnahmen?
Isabelle Spiegel. Das Management erfolgt auf drei Niveaus. Der VINCI-Verwaltungsrat hat einen CSR-Ausschuss eingerichtet, der einmal pro Jahr über den Fortgang der Maßnahmen berichtet. Der Vorstand kommt mehrmals im Jahr zu speziellen Umweltsitzungen zusammen. Außerdem tagt einmal im Monat ein Umweltausschuss mit allen Nachhaltigkeitsverantwortlichen aus den Sparten (bei VINCI Energies ist das Generalsekretärin Corinne Lanièce).
Im Rahmen dieser neuen Ziele lobt VINCI einen Umweltpreis aus. Worum geht es dabei? Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Isabelle Spiegel. Genauso wie der sehr erfolgreiche Innovationspreis ist auch der Umweltpreis ein konzerninterner VINCI-Wettbewerb. Ziel ist es, die treibenden Kräfte im Konzern zu bündeln. Bei VINCI geht Umweltschutz uns alle an. Außerdem wollen wir lokale Initiativen und Best Practices weiterverbreiten. Jede_r kann mitmachen, sich über eine digitale Plattform bewerben und abstimmen.
Der Umweltpreis startet am 22.09.2020 im Rahmen des ersten VINCI-Umwelttages. Die Bewerbungsfrist beträgt fünf Monate. Im Juni 2021 finden die regionalen Preisverleihungen statt (in Frankreich gibt es acht Regionen, außerhalb Frankreichs geographische Gebiete wie etwa Nordeuropa, Nordamerika usw.). Das große Finale folgt im September 2021.
Wie geht es angesichts der neuen VINCI-Umweltziele bei VINCI Energies voran?
Isabelle Spiegel. Ich konnte mich davon überzeugen, dass sich die verschiedenen Geschäftsfelder von VINCI Energies die neuen, auf drei Bereiche ausgerichteten Umweltziele des VINCI-Konzerns bereits gut angeeignet haben. Auf sämtlichen Unternehmensebenen sind alle Mitarbeitenden in der Lage, diese Roadmap an die eigenen Herausforderungen und Prioritäten anzupassen. Das war für mich keine Überraschung, denn die Anpassung vor Ort und ein „kundenorientierter“ Ansatz sind ein Kennzeichen von VINCI Energies.
Was waren in Ihren Augen die Meilensteine des ökologischen Umdenkens, der umweltpolitischen Wende? Was hat diese Bewegung ausgelöst?
Isabelle Spiegel. Der Ausgangspunkt ist sicher der UNO-Bericht „Our Common Future“, der so genannte Brundtland-Bericht aus dem Jahr 1987. Er definiert den Begriff der „nachhaltigen Entwicklung“: Damit sollen auch für nachfolgende Generationen die Lebensgrundlagen gesichert werden. Der zweite Meilenstein ist das Pariser Abkommen im Rahmen der Weltklimakonferenz im Dezember 2015. Zum ersten Mal nahmen sich Bürgergesellschaft und Wirtschaft dieses bislang ausschließlich auf wissenschaftlicher und politischer Ebene diskutierten Themas an. Der dritte Meilenstein, oder eher die dritte Phase, läuft derzeit. Sie begann 2019 mit einem Umdenken der weltweiten Öffentlichkeit und dem zunehmenden Gefühl, dass uns die Zeit davonläuft.
10/07/2020