Nach und nach werden die Weichen gestellt, um das Elektroauto zu einem Produkt zu machen, das die Nutzungsgewohnheiten revolutioniert – dazu gehören Ladestationen, deren Leistung auf unterschiedliche Anwendungsfälle abgestimmt ist.
Langsam, aber sicher verliert das Elektroauto seinen Status als von der Öffentlichkeit skeptisch beäugter Exot und wird vielleicht bald zur Massenware. Die Fachwelt ist sich einig: Markt wie Gesellschaft stehen vor einem Umbruch.
Die Zahlen sprechen für sich: 2020 hatte bereits jedes 10. in Europa verkaufte Auto einen Elektro- oder Hybridantrieb; 2019 waren es nur 3 %. Über eine Million Elektrofahrzeuge wurden bestellt. Ein Jahr vorher waren es noch 387.000. Deutschland ist hier Vorreiter in Europa: mehr als 40 % aller Elektroautos und Plug-in-Hybride werden dort verkauft. Elektrobusse standen 2020 für 6,1 % des europäischen Marktes.
In Frankreich waren im März 2021 über 535.000 Elektro- und Hybridfahrzeuge unterwegs. Kraft des im November 2019 verabschiedeten französischen LOM-Gesetzes zur Orientierung der Mobilität müssen ab 2030 Flotten mit über 100 Fahrzeugen unter 3,5 Tonnen bei ihrer Erneuerung zu 50 % aus emissionsarmen Fahrzeugen bestehen.
Der technische Fortschritt sorgt für immer leichtere, preiswertere Elektrofahrzeuge.
Ein weiteres Anzeichen für den Wandel: Alle Automobilhersteller wollen Elektroautos auf den Markt bringen, deren Reichweite im Übrigen stetig zunimmt. 2021 sollen etwa 20 neue Modelle auf den Markt kommen, auch hier wieder viele deutsche: Mercedes und BMW haben jeweils zwei neue Modelle angekündigt, bei Audi, wo der Verbrenner ab 2035 ganz aus dem Programm verschwinden soll, sind es drei. Auch bei der Reichweite sind deutsche Marken richtungsweisend: der BMW iX erreicht 600 km, der Mercedes EQS gar 700 km.
Aber das Thema Reichweite ist neben Preis, geringer Modellauswahl, Gewicht sowie Kapazität der Batterien und schließlich dem Stromtankstellennetz der größte Hemmschuh für die breite Markteinführung, auch wenn Frankreich hier recht gut aufgestellt ist: Anfang Mai 2021 waren auf der Website Chargemap knapp 21.600 Ladestationen mit über 112.000 Ladepunkten verzeichnet. In Deutschland ist die Situation mit 23.500 Ladestationen mit 79.500 Ladepunkten vergleichbar.
Vernetzung der Regionen
Diese Beschleunigung der Elektromobilität führt dazu, dass die ganze Branche Fahrt aufnimmt. Öffentliche wie private Akteur:innen setzen mit Nachdruck und ganz selbstverständlich auf die flächendeckende Ausstattung mit Stromtankstellen.
So wächst auch bei VINCI Energies die Nachfrage nach Ladesäulen. Dabei geht es insbesondere um Schnellladestationen mit Leistungen zwischen 150 und 350 kW, durch die eine Steigerung der Reichweite von 150 auf 300 oder sogar 400 km möglich wird.
Diese HPC-Stationen (High Power Charging) sind eine Möglichkeit, um Elektroautos fit für die Langstrecke zu machen. Auf der Fahrt von Paris nach Lyon (465 km) kann ein leistungsfähiges Elektroauto an einer 350 kW-Ladestation theoretisch innerhalb von 15 Minuten aufgeladen werden.
Nach Tesla mit seinen über ganz Europa verteilten 120 kW-Ladestationen, an denen das Laden 40 Minuten dauert, haben sich Audi, BMW, Mercedes-Benz, Porsche und Ford im IONITY-Verbund zusammengetan, um ein eigenes Schnellladenetz aufzubauen. Im Frühjahr 2021 gab es entlang der europäischen Autobahnen 340 Stationen mit jeweils sechs Ladesäulen zwischen 150 und 350 kW Leistung, etwa hundert davon in Frankreich.
Europaweite Implementierung
„Auch VINCI Energies ist an diesem Rollout-Projekt beteiligt, und zwar über die auf die Energiewende ausgerichteten Marken Omexom und Citeos sowie über Easy Charge, ein Gemeinschaftsunternehmen von VINCI Energies und VINCI Autoroutes, dass sich der Elektromobilität widmet“, heißt es bei VINCI Energies.
Die europäische Dimension, die das Projekt mittlerweile angenommen hat, erfordert die Berücksichtigung der gesetzlichen und technischen Regelungen in jedem Land. VINCI Energies verfügt über Niederlassungen in ganz Europa und ist deshalb bei diesen Projekten besonders gut aufgestellt.
Auch in Frankreich gibt es zahlreiche Initiativen wie eborn, wo sich die Gruppe ebenfalls engagiert. Das größte Ladenetz für Elektrofahrzeuge in Frankreich (1.200 Ladesäulen) wird nämlich seit August 2020 von Easy Charge betrieben. „Dieser acht Jahre laufende Konzessionsvertrag zeigt, dass sich langsam neue Managementmodelle für Ladeinfrastrukturen herausbilden“, so Khadija Tighanimine, Project Manager Market & Development bei Omexom.
Angebotsvielfalt
Die Bedeutung des Ultraschnellladens ist allerdings relativ: Es hat eine eher psychologische Dimension, weil dieser Punkt den Autofahrer:innen Sicherheit vermittelt. Die orientieren sich bei der Reichweite nämlich immer noch am Benzinmotor. In der Realität fahren aber 80 % aller Autofahrer:innen pro Tag nicht mehr als 60 km.
„Es deshalb geht weniger darum, überall Schnellladestationen zu installieren, als vielmehr darum, anhand einer besseren Erfassung der Nutzungsgewohnheiten festzulegen, wo die Ladeinfrastrukturen ergänzt werden müssen”, wird seitens VINCI Energies unterstrichen.
„Für Kurzstrecken reicht es aus, wenn die Fahrzeuge über Nacht zuhause und über Tag auf dem Parkplatz vor dem Büro ganz normal aufgeladen werden. Das ist auch billiger. Schnellladestationen sind für Fahrten innerhalb der Region notwendig, ultraschnelle Ladesäulen auf Autobahnen.
Wenn für kürzere Ladezyklen höhere Preise verlangt werden, stellen sich die Verbraucher:innen darauf ein und das Ladeangebot kann sich diversifizieren. Die Kostenfrage stellt sich auch beim Aufbau der Infrastruktur sowie, was das Schnellladen angeht, für den Netzausbau. Die Herausforderung besteht hier darin, eine geeignete Energiequelle zu finden, um die Station zu speisen und ihre Nutzung zu optimieren.
Schlüsselfertige Lösungen
Schließlich sind dabei hohe Anschlussleistungen im Spiel, und die dafür erforderlichen Investitionen müssen sich rechnen. Außerdem müssen auch Nachfragespitzen abgefangen werden. Dafür braucht es ein intelligentes Netz, ein Smart Grid, das die Stromflüsse optimal managt, und ggf. Stromspeicher in der Nähe der Ladestationen.
Solche schlüsselfertigen Komplettlösungen können die Omexom- und Citeos-BUs bereits heute anbieten.
„Für den ÖPNV bietet Mobility, eine auf Verkehrsinfrastrukturen spezialisierte Marke von VINCI Energies, die Cway-Lösung an. Dieses Smart Charging-System für Elektrobusse sorgt für mehr Netzstabilität und weniger Leistungsspitzen, indem nicht alle Batterien gleichzeitig geladen werden“, so Tighanimine.
„Gedacht ist diese Lademanagement-Lösung hauptsächlich für das Aufladen im Betriebshof, allerdings kann der Bus auch an den Haltestellen über einen Stromabnehmer nachgeladen werden“, erläutert Pauline Gaillard, Project Manager Technik & Innovation bei Omexom.
Neue „Kultur“
Ein weiteres Hindernis, das für die Massentauglichkeit des Elektroautos überwunden werden muss, ist die Umsetzung von kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen. Beispiel: Ein möglichst dichtes Ladestations-Netz im öffentlichen Raum.
Allerdings sind Herausforderungen und Zwänge in der Stadt anders als auf dem Land.
„In ländlichen Regionen ist die Ladeinfrastruktur längst nicht so entwickelt. Solange allerdings eine Stadt in der Nähe und die Gegend nicht allzu einsam ist, sind auch Elektroautos mit einer durchschnittlichen Reichweite von 300 km einsetzbar, denn meist wird zuhause aufgeladen. Problematischer wird es allerdings für Geschäftsleute, die beruflich in diesen bisher noch mangelhaft ausgestatteten Gebieten unterwegs sind“, unterstreicht Gaillard und stellt fest, dass deshalb häufig auf Plug-in-Hybride gesetzt wird.
Aber der technische Fortschritt sorgt für immer leistungsfähigere, gleichzeitig leichtere und preiswertere Akkus, was sich auch auf das Fahrzeug selbst auswirkt.
BtoB-Markt
Auch die öffentlichen Beihilfen tragen zum Elektroboom bei. In Frankreich wirken die bis zum 30.06.2021 verlängerte staatliche Kaufprämie von bis zu 7.000 €, kostenloses Parken in einigen Städten, Bußgelder für Luftverschmutzung verkaufsfördernd. Die Beihilfen aus dem ADVENIR-Programm (960 bis 240.000 €) unterstützen ebenfalls aktiv den Aufbau privater oder öffentlich zugänglicher Ladestationen. Hiervon profitieren insbesondere Firmenflotten.
„50 % aller neu zugelassenen Elektroautos sind Dienstfahrzeuge. In zwei bis drei Jahren kommen sie auf den Gebrauchtwagenmarkt und dürften so dafür sorgen, dass Elektromobilität für die meisten Menschen erschwinglich wird“, bemerkt Gaillard.
Auch im Vergleich zwischen Norwegen und Dänemark zeigt sich diese Wirkung. Vorreiter Norwegen will den Verbrennungsmotor bis 2025 von den Straßen verbannen und hat ein umfangreiches Unterstützungs- und Subventionssystem umgesetzt: Niedrige Steuern, Nutzung der Busspur, gratis Parken, keine Citymaut, kostenlose Fährüberfahrten für Elektroautos… Außerdem hat das Land ein engmaschiges Stromtankstellennetz aufgebaut.
Umgekehrt gingen in Dänemark die Verkaufszahlen zurück, als 2016 die Beihilfen abgeschafft wurden. Zwei Jahre darauf korrigierte die dänische Regierung ihre Entscheidung und beschloss, den Verkauf von Diesel- und Benzinautos ab 2030 zu verbieten.
Der politische Wille allein reicht zwar nicht aus, um dem Elektroauto zum Durchbruch zu verhelfen – er hat jedoch wohl großen Anteil daran.
16/09/2021