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Nachhaltigkeit wird auch im Immobiliensektor immer wichtiger. Gleichzeitig unterliegen die Investoren zunehmend strengeren europäischen Rechtsnormen. Eine Analyse von Greenaffair, einer VINCI Energies-Business Unit, die sich auf dieses komplexe Thema spezialisiert hat.

Die ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) sind außerfinanzielle Analysestandards zur Bewertung der Berücksichtigung von langfristigen Nachhaltigkeitsaspekten in der Strategie und den Projekten von Unternehmen. Sie beeinflussen heutzutage die Entscheidungsprozesse in sämtlichen wichtigen Wirtschaftssektoren. Angefangen bei der Gebäudewirtschaft, die in Frankreich für 43 % des Jahresenergieverbrauchs und 23 % der Treibhausgasemissionen steht.

Die steigenden Nachhaltigkeitsanforderungen bei der Immobilienvermarktung sind natürlich auch den Investor:innen nicht entgangen. Bereits seit Oktober 2019 können auf Immobilien ausgerichtete Risikokapitalfonds in Frankreich das staatliche Label ISR Immobilier beantragen, das finanzielle und außerfinanzielle Leistungen kombiniert und Fonds auszeichnet, die Kriterien aus den verschiedenen ESG-Dimensionen berücksichtigen.

Aber der starke Regulierungsdruck im Zusammenhang mit der Klimawende beschleunigt die Verzahnung von Risikokapital und Nachhaltigkeit, so dass massiv in die technische und energetische Sanierung investiert wird. Dabei kommt es nicht alleine darauf an, die vom Gesetzgeber erlassenen Regelungen zu verstehen, sondern sie müssen auch mit den betrieblichen Anforderungen im Gebäudesektor in Einklang gebracht werden.

Unterstützung für Asset-Manager:innen

Damit sich Finanz- und Immobilienfachleute besser in die neuen Nachhaltigkeitsanforderungen im Immobiliensektor hineindenken und die häufig sehr komplexen Leistungskriterien verinnerlichen können, gründete Greenaffair, ein auf Umweltfragen spezialisiertes Ingenieurbüro, im Juni 2022 eine Abteilung für Nachhaltiges Investieren und Finanzieren. „Nachhaltiges Investieren wird in absehbarer Zeit zum neuen Standard. Alle Marktteilnehmer:innen werden sich rasch daran daran gewöhnen müssen. Angesichts steigender Erwartungen der Sparer:innen im Bereich ESG setzen wir auf die umfassende Unterstützung von Asset-Managern, Investor:innen, Vermögensberater:innen: politisch, juristisch und technisch“, erläutert Abteilungsleiter Pierre Cadoret.

„Umweltkompass“

Die europäische (oder grüne) Taxonomie wurde 2020 von der Europäischen Kommission verabschiedet und gilt seit 2021. Sie war die erste Verordnung, die eine Brücke schlug zwischen dem technischen Aspekt einer als nachhaltig angesehenen Geschäftstätigkeit und der Bilanzierung der diesbezüglichen Investitionen und Erträge: Umsatz, Investitionsausgaben (Capex), Betriebsausgaben (Opex).

Diese Taxonomie wird als europäischer „Umweltkompass“ für die wichtigsten Wirtschaftssektoren begriffen und soll Kapital in nachhaltige Geschäftstätigkeiten in den 10 wichtigsten Makrosektoren (darunter die Immobilienbranche) umleiten, die wiederum in 88 Untersegmente untergliedert sind.

„Nachhaltiges Investieren wird in absehbarer Zeit zum neuen Standard.”

Sie definiert vor dem Hintergrund von sechs übergeordneten Umweltzielen, was als nachhaltige Tätigkeit gilt: Klimaschutz, nachhaltige Nutzung von Wasserressourcen, Vermeidung von Verschmutzung, Anpassung an den Klimawandel, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen und biologischer Vielfalt.

Im Immobilienbereich gilt beispielsweise ein Referenzgebäude als „nachhaltig“, für das ein Energieausweis mit der Energieeffizienzklasse A vorliegt oder das in Bezug auf den nationalen bzw. regionalen Markt zu den besten 15% in Bezug auf den Primärenergiebedarf gehört.

„Je nach den Merkmalen des Immobilienprojekts oder Gebäudes – vor oder nach dem 31.12.2020 errichtet, Dienstleistungs- oder Wohngebäude, Fläche über oder unter 5.000 m2 usw. – umfassen die Prüftabellen zwischen fünf und zwanzig technische Kriterien, die festlegen, ob das jeweilige Gebäude der Taxonomie entspricht oder nicht und wie hoch das Ertüchtigungspotential ist“, erläutert Cadoret.

Informations- und Beweispflichten

Finanzfachleute wie Asset-Manager:innen müssen neben der Taxonomie auch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) beachten, der finanzielle Zwilling der Non-Financial Reporting Directive (NFRD), mit der 2017 eine außerfinanzielle Berichtspflicht für Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union eingeführt wurde.

Sie trat im März 2021 in Kraft und verpflichtet Investmentfonds seit 2023, nachzuweisen, dass ihre Produkte der Klassifizierung für nachhaltige Investitionen entsprechen. Dazu können sie entweder die Berücksichtigung sozialer und/oder ökologischer Kriterien in ihrem Investitionsprozess deklarieren oder den Nachweis einer tatsächlich positiven Wirkung antreten.

Was die NFRD betrifft, so wird sie bald durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ersetzt, die ab dem 01.01.2024 schrittweise in Kraft tritt. Deren Anwendungsbereich ist deutlich breiter: Sie gilt für alle in Europa börsennotierten Unternehmen sowie für sämtliche Firmen, die einen der drei folgenden Schwellenwerte überschreiten:  250 Mitarbeitende; 40 Mio. Euro Umsatz; 20 Mio. Euro Bilanzsumme.

„Die CSRD sieht eine Stärkung und Standardisierung der Berichtspflichten vor: Auf Grundlage harmonisierter europäischer Standards müssen die Firmen detaillierte Informationen über Risiken, Chancen und materielle Auswirkungen im Zusammenhang mit sozialen, ökologischen und Governance-Fragen veröffentlichen. Während die grüne Taxonomie derzeit nur den „E“-Grundpfeiler der ESG-Kriterien betrifft“, bemerkt Cadoret.

Die Beobachtungsstelle für nachhaltige Immobilien zeigt in ihrem Marktbarometer 2022, mit dem sie die Umsetzungsfortschritte der ESG-Kriterien evaluiert, dass vorrangig auf die Senkung des CO2-Ausstoßes und des Energieverbrauchs hingearbeitet wird und soziale sowie Governance-Kriterien eher außen vor bleiben.  „Schon bald könnte es eine auf das „S“ abzielende Taxonomie geben.  Was die Governance („G“) betrifft, sollte sie idealerweise als kriterienübergreifendes Fundament begriffen werden“, unterstreicht der Abteilungsleiter von Greenaffair.

14/09/2023