Seit 2022 wird das Zentralkrankenhaus von Pirae auf Tahiti mit Tiefenwasser aus dem Meer klimatisiert. Für die Gebäudenutzer:innen bedeutet das mehr Komfort, für die Bewirtschaftung eine drastische Senkung der Energiekosten um 40 %.
Jährlich knapp 9 GWh Strom und damit gleichzeitig 5.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart: So lautet die Erfolgsbilanz der innovativen Klimatechnik, die seit 2022 in Pirae, einem Vorort von Papeete auf Tahiti (Französisch-Polynesien) in Betrieb ist. Der Vorteil ist umso bedeutender, als zuvor 35 % des Gesamtstromverbrauchs der Klinik durch die Kaltwassererzeugung verursacht wurde.
Das Rezept für diese Meisterleistung lässt sich mit vier Buchstaben zusammenfassen: SWAC für Sea Water Air Conditioning, eine Lösung, bei der Tiefenwasser aus dem Pazifik als Kältequelle für die Klimaanlage eingesetzt wird. Wie funktioniert das System? In größeren Meerestiefen beträgt die Wassertemperatur konstant etwa 5°C. Dieses Wasser wird hochgepumpt und durch einen Wärmetauscher geleitet, um den Sekundärkreislauf im Gebäude zu kühlen. Danach fließt das Wasser zurück ins Meer. Die Einleittiefe ist dabei so ausgewählt, dass das marine Ökosystem nicht beeinträchtigt wird.
Geeignete Bathymetrie
„Ein solches Projekt unterliegt bestimmten Vorbedingungen“, unterstreicht Frédéric Dock, Regionalleiter bei VINCI Energies. Er war daran mit mehreren Business Units von VINCI Energies Building Solutions beteiligt, die dort die Ausrüstungen im Technikraum (Pumpen, Wärmetauscher) und die dazugehörige Automatisierungstechnik installierten. VINCI Facilities Polynesien erhielt in der Folge übrigens den Auftrag zur Instandhaltung und zum Energiemonitoring des Standorts bis Januar 2029.
„Erforderlich sind Gebäude mit hohem Klimatisierungsbedarf, etwa Kliniken, Hotels, Flughäfen; eine geeignete Bathymetrie (*) und leicht zugängliches marines Tiefenwasser. Deshalb sind tropische Inseln für solche Projekte besonders geeignet.”
Mehrjähriger Energiewende-Plan
Für das SWAC-System der Klinik wurden 3,8 km Rohrleitungen bis in 910 Meter Meerestiefe verlegt. Die Kühlleistung beträgt 6 MW. Damit ist es derzeit das leistungsfähigste System dieses Typs weltweit. Das Projekt, an dem neben VINCI Energies auch Geocean beteiligt war, eine Tochtergesellschaft von VINCI Construction, lief drei Jahre und kostete insgesamt 31 Mio. Euro. Es wurde vom französischen Staat und der Überseeregion gemeinsam finanziert.
Das SWAC-System der Klinik ist das leistungsfähigste der Welt
„Das Projekt ist Teil eines mehrjährigen Energiewende-Plans für Französisch-Polynesien, wo der CO2-Ausstoß pro Kopf höher ist als im landesweiten Mittel. Die Region möchte ihre Emissionen bis 2030 halbieren. Das Krankenhaus steht alleine für 1,8 % des Gesamtstromverbrauchs auf Tahiti“, unterstreicht Dock.
Geringere Kosten
Seit der Inbetriebnahme des SWAC hat sich die Temperatur des Sekundär-Kaltwasserkreislaufs des Krankenhauses bei etwa 6°C eingependelt. Unabhängig vom Wetter kann die Temperatur in den Krankenzimmern und Räumen der Klinik so den ganzen Tag über konstant gehalten werden.
Weil er von einer unerschöpflichen und obendrein kostenlosen Ressource gespeist wird, „deckt der Meerwasserkreislauf den größten Teil der Kälteproduktion und verringert den Bedarf an Kältemittel. Angesichts sich weltweit verschärfender Standards und strafbewehrten Emissionsquoten ein enormer Vorteil“, so der französische SWAC-Industrieverband „Club SWAC France“ auf seiner Website. Es wird geschätzt, dass jährlich 2,9 Mio. Euro pro Jahr Energiekosten gespart werden, das entspricht 40 %.
Die Zentralklinik von Französisch-Polynesien plant bereits, ihre derzeit im Bau befindlichen Nebengebäude ebenfalls an das System anzuschließen. Parallel untersuchen mehrere Forschungsprojekte die Duplizierbarkeit der SWAC-Technologie in anderen Gebäuden mit ähnlicher Konfiguration.
16/01/2025
(*) Als Bathymetrie bezeichnet man die Vermessung der topographischen Gestalt des Meeresbodens.