Um die Stromversorgung der Stadtbeleuchtung abzusichern, baut Yaoundé ein integriertes System zur lokalen Energieerzeugung, -speicherung und -steuerung auf. Ein Projekt mit vielfältigen Herausforderungen für die 2,7 Millionen Einwohner:innen und die Wirtschaft der afrikanischen Metropole.
Im Februar 2019 legten die technischen Dienste der Stadt Yaoundé gemeinsam mit den Fachleuten von Omexom Cameroun und der Marke Omexom die Grundlagen eines ehrgeizigen Energieversorgungsprojekts für die kamerunische Hauptstadt. Die gewählte Lösung ist eine Premiere: ein städtisches Microgrid mit einem intelligenten Leitsystem, das zunächst als Pilotprojekt umgesetzt wird. Der Demonstrator befindet sich derzeit im Bau.
Welche Ziele verfolgt die Lokalpolitik mit diesem Projekt? Es geht um die Absicherung der Energieversorgung für die Stadtbeleuchtung dieser 2,7 Millionen Einwohner:innen zählenden Metropole – aufgrund von Verbrauchsspitzen zwischen 18 und 20 Uhr kommt es nämlich häufig zu Stromausfällen.
„Mit der Sicherstellung der Stromversorgung sollen drei vorrangige Ziele erreicht werden: Mehr Komfort und Sicherheit für die Bürger:innen, Förderung und Entwicklung der Wirtschaft sowie eine sichere, attraktive Stadt“, unterstreicht Arnaud Allix, Leiter der BU Omexom Cameroun. Hinzu kommt aber noch ein viertes, ökologisches Ziel: Man will in Zukunft den Einsatz von dieselbetriebenen Notstromaggregaten zur Versorgung kommunaler Gebäude und der Stadtbeleuchtung während der Stromausfälle möglichst vermeiden.
„Das Projekt verfolgt drei vorrangige Ziele: Komfort und Sicherheit für die Bürger:innen, Förderung der Wirtschaft, eine attraktive Stadt.”
Zur Projektfinanzierung stützen sich Omexom und die Stadt Yaoundé auf den Planungs- und Unterstützungsfonds für die Privatwirtschaft (FASEP), der vom französischen Staat über die Finanzverwaltung eingerichtet wurde und eine Zuwendung in Höhe von 500.000 € gewährt. Außerdem beteiligt sich Omexom mit 140.000 € an der Finanzierung.
Der Fonds wurde von einem Team aus französischen Start-ups, mittelständischen Industriefirmen und der Forschung konzipiert und aufgebaut, das auch für die Steuerung zuständig ist. Er beschäftigt sich mit drei großen Themen: Energieerzeugung und Speicherung, Energieeffizienz, Leitsysteme.
100 % der Leuchtstellen werden 30 Minuten lang mit Strom versorgt
Wie funktioniert das System? Auf dem Parkplatz des Rathauses von Yaoundé entstehen Photovoltaik-Sonnendächer mit einer Leistung von 30 kWp, die an ein Energiemanagementsystem angebunden sind. Während der abendlichen Spitzenzeit entscheidet dieses in Echtzeit und in Abhängigkeit von der gespeicherten Strommenge, ob mit der Energie die Stadtbeleuchtung oder das Rathaus versorgt wird. Die zentrale Batterie kann 100 % Leuchtstellen und Gebäude 30 Minuten lang mit Strom versorgen (bzw. 50 % eine Stunde lang).
Vierhundert mit Natriumdampf-Hochdrucklampen ausgestattete Leuchtstellen im Rathausviertel werden auf sparsame LED-Technik umgerüstet, ein Viertel davon erhält IoT-Sensoren, die Fernüberwachungsdaten der Stadtbeleuchtung sowie Verkehrsdaten per LoRaWAN übermitteln.
Last but not least gibt ein Hypervisor im Rathaus einen Überblick über alle installierten Equipments und steuert Energieerzeugung und -verbrauch.
„Es ist eine Premiere für Kamerun und wahrscheinlich sogar ganz Afrika – erstmalig werden diese drei funktionalen Bausteine in einer Matrix miteinander verknüpft“, bemerkt Laurence Vaux, VP Business Development der Afrika-Direktion von VINCI Energies Oil & Gas. „Innovativ daran ist die Integration zahlreicher Fachbereiche im Vorfeld. Zu Entwicklung optimaler Lösungen für den Demonstrator hat Omexom ein Team aus VINCI Energies-BUs gebildet, die sich gegenseitig ergänzen: Omexom Cameroun, Omexom Paris Ingénierie und Actemium Paris Transport.”
83 % weniger Instandhaltungsaufwand
Der Projektnutzen wurde genau kalkuliert. Der Stromverbrauch des Stadtviertels sinkt um 31 % – das Stromnetz wird entsprechend entlastet. Dank LED-Technik ist eine Energieeinsparung von 72 % möglich, die Instandhaltungskosten sinken gar um 83 %. Das Rathaus wird 17 % des Stromverbrauchs über die eigene PV-Anlage decken.
„Natürlich müssen Schulungen für die technischen Dienste und die Stadtverwaltung durchgeführt werden, um sich mit dem System vertraut zu machen und das Projekt nach der Pilotphase auf die gesamte Stadt auszuweiten“, erläutert Allix.
Denn es ist vorgesehen, das Projekt auch in anderen Stadtvierteln umzusetzen. „Die Stadt verfügt heute über die notwendigen Ressourcen, um das Pilotprojekt innerhalb mehrerer Jahre auf die gesamte Stadt auszuweiten. Diese Investitionen werden sich binnen sechs Jahren amortisieren. Dafür müssen keinerlei Darlehen aufgenommen werden, denn aufgrund des niedrigeren Stromverbrauchs und der geringeren Wartungskosten tragen sich die Investitionen in die Infrastruktur selbst – dabei steigen die Investitionskapazitäten im Laufe der Zeit sogar“, argumentiert Laurence Vaux.
Langfristig ist geplant, 10.000 LED-Leuchtstellen, 10.000 Fernsteuerungsknoten, PV-Anlagen mit einer Leistung von 1 MWp und Stromspeicher mit einer Gesamtkapazität von 3,5 MWh an einem Dutzend über die Stadt verteilten Standorten zu installieren. Außerdem soll das LoRaWAN durch etwa zehn Antennen verstärkt und auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet sowie eine erweiterte Neukonfiguration der CMMS- und Fernsteuerungssysteme wie auch des Hypervisors umgesetzt werden. Gesamtvolumen des Projekts: 30 Mio. EUR über sechs Jahre.
08/07/2021