Wie kann die Leistungsfähigkeit der Datenanalyse bei zerstörungsfreien Prüfungen von kritischen Bauteilen während Stillständen in Kernkraftwerken verbessert werden? Das Projekt AUTEND liefert darauf eine Antwort in Form einer integrierten KI-Lösung.
Die Business Unit Omexom NDT Engineering & Services, eine Tochtergesellschaft von VINCI Energies, ist auf die Planung, Qualifizierung und Ausführung vor Ort von automatisierten zerstörungsfreien Prüfverfahren für kritische Bauteile in Kernkraftwerken des französischen Betreibers EDF spezialisiert. Anders ausgedrückt führt sie Prüfungen an kerntechnischen Anlagen durch. Dabei kommen hauptsächlich Ultraschall- und Wirbelstromverfahren zum Einsatz.
„Die Robotertechnik hat hier für enorme Fortschritte gesorgt. Die Datenerfassung und Signal- bzw. Fehlererkennung geht immer schneller“, so Jean-François Herr, BU-Leiter Omexom NDT Engineering & Services. „Aber trotzdem muss die Echtzeitanalyse dieser Daten nach wie vor durch Menschen erfolgen.”
Symbolische KI
Angesichts der Renaissance der Kernkraft steigen Häufigkeit und Anzahl der Inspektion kerntechnischer Anlagen. Deshalb suchte Omexom NDT Engineering & Services nach einer Lösung zur Vereinfachung und gleichzeitigen Beschleunigung der Arbeit der Analyst:innen vor Ort durch die automatische, KI-gestützte Erkennung der inspizierten Bereiche.
„Die Produktivität der Datenanalyse dürfte um 30 % zunehmen.”
Mit diesem Ziel startete die in der Nähe der südfranzösischen Stadt Valence ansässige Business Unit das Projekt AUTEND. Die Abkürzung steht im Französischen für „Automatische Analyse von zerstörungsfreien Prüfungen“. Durchgeführt wird das Projekt gemeinsam mit ALLONIA, einem französischen Start-up mit leistungsfähiger KI-Plattform, sowie dem Akustiklabor der Universität Le Mans (LAUM). Die Projektsteuerung liegt bei Omexom NDT Engineering & Services, während ALLONIA für Konzeption und Entwicklung der KI-Plattform sowie die Industrialisierung der Fachanwendung verantwortlich zeichnet und das LAUM zur Optimierung des Analyseverfahrens und der Datenverarbeitung beiträgt. Das Projekt mit einer Laufzeit von zweieinhalb Jahren (2022-2024) wird im Rahmen des Konjunkturprogramms France 2030 vom französischen Wirtschafts- und Finanzministerium sowie Bpifrance mit 2,5 Mio. Euro gefördert.
„Um die kerntechnische Sicherheit zu gewährleisten, arbeiten wir mit einer so genannten symbolischen KI. Anders als beim Maschinellen Lernen oder beim Deep Learning, wo es manchmal zu Ausreißern kommt, sind wir hier jederzeit Herr der Lage, weil eine solche KI nicht als Blackbox eingesetzt werden kann“, erläutert Herr. Auch das Hosting erfolgt über eine gesicherte Cloud, so dass die umfassende Kontrolle der Datenverarbeitung durch die Nutzer:innen gewährleistet ist.
Produktivität und Qualität
Die ersten Tests von AUTEND seit September 2023 konzentrieren sich auf die Datenanalyse der Wirbelstromprüfungen an Dampferzeugerleitungen in Kernkraftwerken. Der Algorithmus erkennt Bereiche, auf die die Analyst:innen ihre Arbeit konzentrieren müssen.
„Wir handeln so auf zwei Ebenen, nämlich bei der Produktivität der Datenanalyse, die um 30 % zunehmen dürfte, und bei der Qualität, weil die KI alle vorher aufgetretenen Fälle kennt und so eine zusätzliche Überprüfung durchführen kann“, erläutert Herr.
Die Analysekapazität steigt, während die Zuverlässigkeit der Ergebnisauswertung gleich bleibt oder wächst. So verringert AUTEND den Zeitaufwand für die Analysen und sorgt dafür, dass die Meiler pünktlich wieder hochgefahren werden können.
„Langfristig wollen wir das Projekt durch zusätzliche KI-Module weiter verbessern“, meint der BU-Leiter von Omexom NDT Engineering & Services. Er möchte die Lösung auch für andere Prüfungen einsetzen, etwa für die Kontrolle von Schweißnähten an Rohrleitungen oder die Erkennung von Haarrissen an Steuerelementen der Kernreaktoren. ALLONIA und LAUM arbeiten ihrerseits an der Entwicklung von Anwendungen im Bereich Cybersicherheit bzw. zur Kontrolle von Flugzeugbauteilen aus CFK.
Offiziell laufen Projekt und Finanzierung durch Bpifrance am 20. August 2024 aus. „Aber die AUTEND-Agenda endet nicht diesen Sommer. Die Validierung dieser Lösung durch EDF braucht Zeit. Wir gehen davon aus, dass sie erst ab 2026 wirklich einsatzfähig ist“, so Jean-François Herr abschließend.
17/10/2024