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Insider:innen der Branche sind sich ihrer Verantwortung für Klimafragen bewusst, aber die Implementierung konkreter Anwendungen hält noch nicht Schritt. Dabei wird es immer dringlicher, sofort und vorausschauend zu handeln. Dienstleistungsgebäude stehen hier besonders im Fokus.

Auf Wohn- und Zweckgebäude entfallen in Frankreich 24% der CO2-Emissionen und 44% des landesweiten Energieverbrauchs.

Auf Wohn- und Zweckgebäude entfallen in Frankreich 24% der CO2-Emissionen und 44% des landesweiten Energieverbrauchs.

Wohn- und Dienstleistungsgebäude emittieren 24 % des in Frankreich ausgestoßenen Kohlendioxids und verbrauchen 44 % der landesweit eingesetzten Energie. Die zentrale Rolle der Immobilienbranche bei der Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels steht also außer Frage.

Die Art der hier zu ergreifenden Maßnahmen wirft jedoch auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette zahlreiche Fragen auf. Mit welchen Klimarisiken werden die Gebäude in den kommenden Jahren konfrontiert sein? Mit welchen Maßnahmen werden sie weniger anfällig für solche Risiken? Mit welchen Strategien können ihre eigenen negativen Effekte verringert werden? Und wie wirken sich die ergriffenen Maßnahmen auf die Klimabilanz aus?

Die Branche muss nicht nur handeln, um sich vor Klimakapriolen zu schützen (Hitzewellen und urbane Hitzeinseln, trockenheitsbedingte Instabilität des Untergrunds, Überschwemmungen und Anstieg des Meeresspiegels), sondern auch die eigenen, schädlichen Auswirkungen auf den Klimawandel verringern.

Regulatorischer Druck

Der Gesetzgeber erhöht den Druck in diesem Bereich zusehends. Das französische Gesetz für Wohnungsbau, Raumplanung und Digitales legt für Gebäude mit einer Fläche über 1.000 m² eine schrittweise Verringerung des Energieverbrauchs fest: um 40 % bis 2030, um 50 % bis 2040, um 60 % bis 2050.

Die französische Umweltverordnung 2020 (RE 2020) zielt ebenfalls auf die Senkung des CO2-Ausstoßes und des Energieverbrauchs im Gebäudebestand ab. Sie schreibt die Verbesserung der Bautechnik und die Optimierung der Gebäudetechnik vor, wobei sich die Anforderungen alls drei Jahre (2021, 2024, 2027 und 2030) verschärfen.

„Die Branche ist Klimarisiken umso stärker ausgesetzt, als die niedrige Sanierungsrate im Bestand den Handlungsspielraum verringert.”

Laut Diego Harari, Leiter Innovation und Nachhaltigkeit bei VINCI Immobilier, ist die Roadmap der RE2020 „machbar“. Gleiches gilt für die Verschärfung im Dreijahres-Rhythmus. „Technisch bekommen wir das hin. Bei einigen kürzlich angelaufenen Projekten erfüllen wir bereits sogar die Ziele, die erst am Ende der Gültigkeitsdauer der RE2020 umgesetzt werden sollen. Die eigentliche Frage ist, was nach 2030 passiert: Wie erreichen wir bis 2050 die Klimaneutralität?”

Zu den weiteren Herausforderungen der Immobilienbranche zählt das Ziel „null Netto-Flächenverbrauch“. Hier müssen die Gebietskörperschaften zwei Termine einhalten: der Flächenverbrauch soll bis 2030 um 50 % sinken und bis 2050 bei netto null ankommen.

„Aufgrund dieses Ziels müssen wir strategische Unternehmensentscheidungen treffen und uns auf die Neunutzung urbaner Flächen ausrichten. Organisatorisch werden wir uns verstärkt anderen Arten von Grundstücken widmen. Wirtschaftlich bedeutet das die Berücksichtigung neuer Risiken. Um im Geschäft zu bleiben, müssen wir den Bereich Sanierung und Altlastenbeseitigung in die eigene Hand nehmen“, erläutert Harari.

Hybride Anpassung

Regulierungsdruck, kritische Herausforderungen, drängende Probleme: Die Immobilienbereich muss bereits heute in vielen Bereichen vorausplanen. „Ein Gebäude kann im Mittel fünfzig Jahre benutzt werden, bevor eine grundhafte Sanierung notwendig wird. Die Branche ist Klimarisiken umso stärker ausgesetzt, als pro Jahr nur 2 bis 3 % des Immobilienbestands erneuert werden. Das verringert den Handlungsspielraum. Deshalb ist es immer dringender geboten, vorauszuschauen und langfristig zu planen“, unterstreicht Patrice Franssens, Leiter Business Development HKL bei VINCI Energies.

Welche Handlungsschwerpunkte sind am wichtigsten? Die Strategien können auf die Gebäude selbst, die Gebäudetechnik und deren Betrieb, die Organisation der Tätigkeiten der nutzenden Unternehmen und deren Personal abzielen. Gründächer und -wände, Baumbestand zur Verringerung des Wärmeinseleffekts von Gebäuden, Regengärten, Sonnenschutz, halbnatürliche Belüftungssysteme, passive Klimatisierung, Lösungen zum Vorwärmen/Vorkühlen der Gebäude, welche die thermische Trägheit des Erdreichs ausnutzen (Luftbrunnen) – Lösungen gibt es viele.

Die Branche setzt hier auf hybride Anpassungsstrategien und mischt natürliche Ansätze mit Energiesparmaßnahmen, Low-Tech-Lösungen und traditionellen Bauverfahren“, erläutert Franssens. Gleichzeitig unterstreicht er die Notwendigkeit, auch die Nutzer:innen mit ins Boot zu holen: „Die Gebäudenutzer:innen müssen begleitet werden, wir müssen ihnen erklären, warum und wie bestimmte Lösungen umgesetzt wurden, was wir uns davon versprechen und unter welchen Bedingungen diese Ziele erreicht werden können. Ansonsten wird es nicht funktionieren.”

Riesiges Sanierungsprojekt

Vorausschauend handeln bedeutet aber auch, gegen die „geplante Obsoleszenz“ von Gebäuden anzugehen, die aufgrund von kurzfristigen Erwägungen entstanden sind. Wie viele Gebäude aus den 1990er oder sogar 2000er Jahren sind heute bereits obsolet? „Diese veralteten Liegenschaften müssten energetisch grundsaniert und wieder auf den Markt gebracht werden“, erläutert Harari. „Das ist ein riesiges Sanierungsprojekt. Und wahrscheinlich auch die größte Herausforderung bei der Klimastrategie: Gebäudesanierungen sind in Frankreich nicht gerade in Mode. Außerdem kämpfen wir gegen den Fachkräftemangel. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt, wir finden weder Gewerbliche noch Führungskräfte, und die Zukunft sieht auch nicht besser aus.”

Außerdem stellt sich die Frage nach dem strukturellen Leerstand von Gebäudeflächen. Allein im Großraum Paris stehen mehrere Millionen Quadratmeter leer – offensichtlich gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Angebot und dem Bedarf der Unternehmen und ihrer Mitarbeitenden: Lage in Gebieten, in denen keine Mischnutzung möglich ist, schlechte Verkehrsanbindung, Unsicherheit usw. „Wie wird der Neuimmobilienmarkt in wenigen Jahren aussehen? Ich bin mir nicht sicher, ob die Nachfrage anhält. Übrigens gibt es Studien, die einen Markteinbruch nicht ausschließen“, bemerkt Harari.

Bauen auf Abruf?

Idealerweise müsste „auf Abruf“ gebaut werden. Aber auch wenn sich die Digitalisierung – und insbesondere das BIM – immer weiter durchsetzt und für mehr Nachhaltigkeit in der Bauindustrie sorgt, stellt sich die Frage, ob Bauen „as a Service“ überhaupt wirtschaftlich tragfähig wäre.

Sollten leerstehende Gebäude heutzutage umgenutzt oder doch lieber abgerissen werden? Sollte man wirtschaftlich auf „Recycling“ setzen oder eher den Bestand verkleinern, um den Wert des Bodens zu steigern, ihn wieder durchlässig zu machen und die spontane Entwicklung von Ökosystemen zu fördern?

Zahlreiche Lösungen in allen Bereichen sind denkbar, aber darüber hinaus stellt der Klimawandel das Wirtschaftsmodell und den strategischen Entscheidungsspielraum der Branche grundlegend in Frage.

 


Acht Möglichkeiten zur Anpassung des Gebäudebestands an den Klimawandel

Um ein Gebäude dem Klimawandel und seinen Folgen anzupassen, sind mehrere Lösungen denkbar. Hier einige von ihnen im Detail.

  • Wand- und Dachbeschichtungen mit hoher Albedo, d. h. starkem Reflektionsvermögen: helle Farben, reflektierende Elastomermembranen und Wandputze. Ziel: Weniger Wärmeeintrag in das Gebäude, Vermeidung von städtischen Wärmeinseln.
  • Gründächer und -fassaden zur Verbesserung der Wärme- und Schalldämmung, zur Verringerung des Energieverbrauchs, zum Schutz der Dachabdichtung, zur Erhöhung der Gebäuderesilienz, zum Zurückhalten von Regenwasser und zur Förderung der biologischen Vielfalt.
  • Geringerer Windwiderstand der Gebäudeteile (Dächer, Regenrinnen, PV-Anlagen usw.) durch aerodynamische Formgebung und demontierbare Lösungen, um Beschädigungen zu verhindern und die Gebäudefunktion zu bewahren.
  • Bioklimatisches Bauen: Das Gebäude und seine Räumlichkeiten werden so ausgerichtet, dass die Sonneneinstrahlung optimiert und die Fassaden in Hauptwindrichtung stabiler ausgelegt werden, so dass das Gebäude insgesamt resilienter wird.
  • Aussteifung des Tragwerks, um es widerstandsfähiger zu machen, etwa durch Betonanker, Tür- und Fensterstürze, Kriech- oder Vollunterkellerung.
  • Weniger Fensterflächen, Einsatz von Spezialglas (Sonnenschutzgläser: thermochrom, elektrochrom oder photochrom), Einbau von Beschattungseinrichtungen innen oder außen (Jalousien, Markisen, Sonnendächer, Dach- oder Balkonüberhänge), damit weniger Wärme in die Innenräume gelangt.
  • Kühlung über den Boden. Entweder durch Geo-Cooling (Nutzung der Temperaturdifferenz zwischen innen und außen zur Kühlung des Gebäudes über Wärmetauscher ohne aktive Absaugung) Oder durch die Installation eines Luftbrunnens im Erdreich zur Speicherung kühler Frischluft, die dann in das Gebäude geblasen wird.
  • Adiabatische Kühlung (Wasservernebelung in warmer Luft) der Innenräume. Diese Technik verbraucht zehnmal weniger Energie als eine Klimaanlage.

 

15/02/2023