2030 werden 70% der Weltbevölkerung in Städten leben. Stadtkonzepte müssen daher künftig drei Dimensionen berücksichtigen, auch den Untergrund. Wie lässt er sich vorteilhaft nutzen?
„Second boring machine almost ready. Will be called Line-Storm…“. In einem Tweet vom 18. 10. 2017 kündigte der Milliardär Elon Musk die zweite Generation von Tunnelbohrmaschinen (TBM) seiner Firma The Boring Company an, die in Rekordzeit unterirdische Verkehrsnetze für Expressverbindungen zwischen den großen Ballungszentren realisieren sollen. Godot, die erste TBM des amerikanischen Geschäftsmanns, hat bereits einen Demo-Tunnelabschnitt in Kalifornien aufgefahren.
Demnächst soll ein 16 km langer Tunnel in Maryland in Angriff genommen werden. Die noch nicht ganz spruchreife Idee dahinter ist eine unterirdische Verbindung New York – Washington für mit hoher Geschwindigkeit fahrende Autos (200 km/h) bzw. eine Hyperloop, eine mit Ultraschallgeschwindigkeit bewegte Druckkapsel, an der die Firma von Elon Musk ebenfalls tüftelt.
Angesichts der zunehmenden Verstädterung bieten sich zwei Möglichkeiten, wenn ein allzu großer Druck auf landwirtschaftliche Nutzflächen vermieden werden soll: über der Stadt und unter der Stadt bauen. Die zweite war Schwerpunkt einer Konferenz im Rahmen der Denkfabrik La Fabrique de la Cité (Groupe VINCI) im Juli 2017 in Lyon. Architekten, Urbanisten und Stadtplaner haben sich ausführlich mit den Projekten von Elon Musk auseinandergesetzt.
Für eine kontrollierte, abgestimmte Entwicklung
Abgesehen von Fantasien in Science Fiction-Romanen und in der Kinowelt ist die unterirdische Stadt bereits seit zahlreichen Jahren Realität mit ausgedehnten Bauten in Städten wie Montreal und Tokio. Eine Stadtentwicklung unter der Erde in großem Maßstab bedarf jedoch einer reiflichen Überlegung.
Bezüglich Musk gehen die Meinungen auseinander. „Was Musk tut, ist sogar gefährlich: er will glauben machen, dass alles, was man oben nicht sehen will, ganz einfach nach unten verlegt werden kann. Das war die vorherrschende Meinung im letzten Jahrhundert, das muss sich aber ändern“, führte der Niederländer Han Admiraal von ITA (International Tunneling Association) bei der Debatte in Lyon aus.
Noch kritischer sieht das die australische Stadtplanerin Elisabeth Reynolds: „das schürt die Ängste, die mit allem Unterirdischen und mit Klaustrophobie zu tun haben. Selbstredend sind auch die Illustrationen von The Boring Company: der Untergrund wird als eine Art schwarzes Loch, als völlig leerer Raum dargestellt“. Weit entfernt von dieser groben Vereinfachung ist der Untergrund unglaublich reichhaltig und komplex, und bezogen auf Geologie, Hydrologie und Biodiversität auch sehr anfällig.
Schwerwiegende Eigentums- und Datenbelange
Nicht zu unterschätzen ist auch die Frage des Eigentums. „Es besteht die Gefahr, letztlich ein Patchwork privater Tunnel ohne Verbindung untereinander zu haben“, gab Guillaume Lavoie, Gemeinderat von Montreal (Kanada), zu bedenken. Daher ist seiner Meinung nach ein behördlich abgestimmtes Verfahren notwendig.
Die Eroberung des Untergrunds erfordert Daten.
Die Eroberung des Untergrunds erfordert zwangsläufig auch besser koordinierte Daten und den Einsatz gemeinsamer digitaler Tools. Der amerikanische Forscher Michael Doyle ist überzeugt davon: „Die verfügbaren ober- und unterirdischen Daten (unterirdische Bauten, Nass- und Trockenleitungen usw.) müssen ausgetauscht werden, um geeignete Kartierungstools zu erstellen.“ Wer ist jedoch Eigentümer dieser Daten?
Weitere Infos: Seminar von La Fabrique de la Cité in Lyon (Juli 2017); Deep City-Projekt über unterirdische Ressourcen und nachhaltige Stadtentwicklung
13/02/2018