Für die durch die Einspeisung erneuerbarer Energien, Eigenversorger und die rückläufige Entwicklung konventioneller Kraftwerke aus dem Lot gebrachten Stromnetze gilt es heute – gestützt auf Daten und Energiespeicherlösungen – die Grundlagen der Netzstabilität neu zu überdenken.
„Was bisher von Stromnetzen verlangt wurde, war im Wesentlichen die Fähigkeit, auch in Spitzenbedarfszeiten die nötige Energie zu liefern. Heute wird von ihnen auch gefordert, dass sie Spitzeneinspeisungen aus erneuerbaren Energieanlagen absorbieren.“ So fasst Olivier Grenesche, zuständig für die Angebote der Marke Omexom von VINCI Energies, die Herausforderungen zusammen, mit denen Stromnetze heute konfrontiert sind. Die Netzstabilität oder Netzresilienz, d.h. die Fähigkeit, Schwankungen auszugleichen und Unterbrechungen in der Versorgung zu vermeiden, wird heute durch die Umwälzungen in der Art, wie Strom erzeugt und verbraucht wird, in Frage gestellt.
Die größte Challenge für Stromnetze ist der Ausbau von erneuerbaren Energien, deren Hauptmerkmal darin besteht, dass die Stromerzeugung wetterabhängig und folglich unregelmäßig ist. Diese dezentralen Anlagen „bilden neue Einspeisestellen in Netzen mit Umspannwerken, die für diese Aufgabe eigentlich nicht ausgelegt waren“, erklärt Olivier Grenesche. Im herkömmlichen Schema transportieren die Stromnetze den in Wärme-, Atom- und Wasserkraftwerken mit Synchrongeneratoren erzeugten Strom über Übertragungs- und Verteilleitungen bis zum Verbraucher. Die zahlreichen Anschlüsse erneuerbarer Energieanlagen an die Übertragungs- und Verteilnetze erfordern heute einen Zweiwegebetrieb: einerseits Abgabe und andererseits Aufnahme von Energie an einer Vielzahl von Stellen. Die Netze brauchen somit Lösungen, um die unregelmäßige Stromerzeugung aus Erneuerbaren auszugleichen.
Der durch einen neuen Rechtsrahmen geförderte Eigenverbrauch ist ebenfalls „ein potenzieller Störfaktor für die Netzstabilität“, führt Olivier Grenesche aus, da „Microgrids Netzinseln in Wechselwirkung zum Gesamtnetz bilden“, entweder um gegebenenfalls überschüssige Produktion abzugeben oder, wenn die lokale Energieerzeugung unzureichend ist, um Energie zu entnehmen.
„Ein neues Gleichgewicht, um sich für die Zukunft zu rüsten“
Was Netzstabilität bedeutet, ist allgemein bekannt. Dass beispielsweise im Winter eine zu starke Nachfrage zu Stromausfall führen kann. Heute hält das Netz noch stand. Der Betrieb ist durch die installierte Infrastruktur und vorgesehene Verstärkung gesichert. Omexom hat beispielsweise am Projekt „Filet de sécurité“ („Sicherheitsnetz“) mitgewirkt, einer neuen 225.000-Volt-Erdleitung zwischen Lorient und Saint-Brieuc, mit der die Versorgungssicherheit der Bretagne verbessert wurde.
„Noch mehr Daten und Echtzeitverarbeitung sind die Voraussetzungen, um auch in Zukunft Netzstabilität zu gewährleisten.“
Trotz der neuen, aus den erneuerbaren Energien resultierenden Sachlage ist das Netz noch stabil, langfristig steht das Gleichgewicht jedoch auf der Kippe, meint Olivier Grenesche, demzufolge „eine neue Resilienz bzw. ein neues Gleichgewicht erfunden werden muss, um sich für die Zukunft zu rüsten“. Isolierte Netze wie in Korsika sind bereits gestört, u.a. durch Einspeisungen aus dezentralen Anlagen. „Es gibt jedoch Lösungsansätze, an denen VINCI Energies bereits arbeitet“, merkt er mit dem Hinweis an, dass die Gruppe über gute Erfolgschancen verfügt, da sie mit der Marke Omexom sowohl die Themen Erzeugung, Umspannung und Stromübertragung über Transport- und Verteilleitungen bis zum Verbraucher und als auch mit der Marke Axians die Netzwerk- und Datentechnik beherrscht.
„Noch mehr Daten und Echtzeitverarbeitung sind die Voraussetzungen, um auch in Zukunft Netzstabilität zu gewährleisten“, setzt Olivier Grenesche fort. Daten ermöglichen die Vorausplanung und Feinabstimmung der Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch, zwischen Angebot und Nachfrage. Die Bildung lokaler Zonen, in denen dieses Gleichgewicht hergestellt wird, wäre eine zweite Möglichkeit. Durch stabile Netzinseln ließe sich der Stromtransport von einer Region zur anderen begrenzen. Ein weiterer Faktor, der zur Netzstabilisierung beiträgt, wäre die Entwicklung von Speicherkapazitäten. Olivier Grenesche nennt hier Akkus, aber auch andere existierende oder noch zu entwickelnde Speicherlösungen. Speicherkraftwerke bilden ja bereits eine solche Möglichkeit. Kein Grund zur Beunruhigung, schließt er: „Die Netzstabilität steht nicht kurz vor dem Zusammenbruch, sie ist bereits dabei, sich neu zu erfinden.“
12/04/2018