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In seinem BuchHacker Citizen. Le guide de survie en milieu urbain(zu dt. Überlebensleitfaden im städtischen Raum) stellt der Designer Geoffrey Dorne 50 Ideen vor, wie sich Bürger den öffentlichen Raum wieder zu eigen machen können.

Wie entstand die Idee zu Hacker Citizen?

Geoffrey Dorne. Ich befasse mich seit mehr als zehn Jahren mit den Zusammenhängen zwischen Design und Hacking. Als Student in der Pariser École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs (ENSAD) habe ich bereits Prototypen zur Abwehr gegen eine ständige Überwachung entworfen (Anti-RFID-Kartenetui, USB-Stick zur Umgehung der Bestimmungen der französischen Urheberrechtsaufsicht…). Seitdem habe ich meine berufliche Laufbahn rund um diese Interaktion zwischen Kunst und Digitaltechnik aufgebaut. Mein Ziel ist es, Design in den Dienst des Menschen und seiner Emanzipation zu stellen. Ich habe die Agentur Design & Human gegründet, die es sich mit einem auf den Menschen fokussierten Design zur Aufgabe macht, Schnittstellen, Produkte, Dienstleistungen, Identitäten und generell zeitgenössische Ausdrucksformen zu entwickeln. Das Buch Hacker Citizen fügt sich genau in den Rahmen dieser sozialen, ethischen und radikalen Vision von Design. Vor knapp drei Jahren dachte ich mir, es wäre doch interessant, in einer Bestandsaufnahme zu erfassen, welche Projekte von bildenden Künstlern und Designern entwickelt wurden, damit sich Bürger den öffentlichen Raum wieder zu eigen machen, und ein Buch daraus zu machen.

Was bedeutet es für Sie, sich die Stadt wieder zu eigen zu machen?

Geoffrey Dorne. Städter werden überall, wo sie sich bewegen, gefilmt, geolokalisiert, getaggt und zu Daten verwurstet. In Frankreich ist die Überwachung mit dem Antiterrorplan Vigipirate und dem ausgerufenen Notstand nicht nur zur Norm geworden, sondern hat sogar Gesetzeskraft erlangt. Sich die Stadt zu eigen machen heißt für mich, die Gesellschaft mitzugestalten. Das heißt, jedem Einzelnen diese doppelte Realität von Eigenständigkeit, Freiheit und persönlicher Emanzipation sowie von Interagieren mit der Welt und den Mitmenschen zu ermöglichen. Die Stadt stellt per definitionem ein ständiges Spannungsfeld zwischen diesen beiden Dimensionen dar.

Wie sehen Sie das Image des Hackers als Pirat?

Geoffrey Dorne. Ja, das ist häufig die allgemeine Vorstellung: ein Einzelgänger, der für Geld oder in böser Absicht hackt. Die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Die Leidenschaft der Hacker gilt dem Erforschen der digitalen Welt, dem Umgehen und Zweckentfremden und der Netzwerkintelligenz. Ich bin selbst ein Produkt der digitalen Kultur, und wenn ich vom „Hacker Citizen“ spreche, habe ich mehr das Ziel des Zweckentfremdens und weniger die technische Fertigkeit des Hackens vor Augen. Wenn das Ziel in der Wiederaneignung durch den Bürger liegt, muss man auch dafür sorgen, dass es für möglichst viele erreichbar ist. Mir gefällt der Begriff des Mozilla-Gründers Tristan Nitot, der das Vorwort zu meinem Buch geschrieben hat: seine Definition des Hackens ist „Herumbastelpotenzial“. Für mich ist ebenfalls der Macher- bzw. „Do it yourself“-Gedanke wichtig. Deshalb wollte ich mit diesem Buch von jeder Art von Geek-Kultur Abstand nehmen. Die aufgezeigten 50 Hacks sind meist minimalistische Rezepte und Low-tech-Aktionen. Papier, Kleber, Schere, Schraubenzieher und Pflanzen sind dabei generell von größerem Nutzen als ein Smartphone.

Welche Art von Aktion schlagen Sie in Ihrem Buch vor?

Geoffrey Dorne. Ich erkläre zum Beispiel, wie sich ein T-Shirt anfertigen lässt, das die Algorithmen zur Gesichtserkennung stört, eine Kapuze mit Infrarotstreifen zur Blendung von Überwachungskameras oder ein System zum Schutz von RFID-Chipkarten. Der Leser erfährt auch, wie er in der Stadt ein Nest bauen kann, in das Vögel immer wieder zurückkehren, und wie man kleine Samenbomben bastelt, um sie an unzugängliche Orte zu schießen, damit dort Pflanzen wachsen. Ferner wird beschrieben, wie eine Bank zum Unterstand und eine Telefonzelle zur Bibliothek wird oder wie sich Werbung zweckentfremden lässt.

Darin steckt auch viel Poetik und Humor…

Geoffrey Dorne. Ich vertrete eine bewusst konstruktive und fortschrittliche Position. Gewiss ist das Buch politisch gefärbt, es ist jedoch kein Manifest, das die Vernichtung des Systems fordert. Es geht vielmehr darum, Systeme spielerisch außer Gefecht zu setzen, ihnen eine poetische Note und Sinn zu verleihen und, warum nicht, dadurch letztlich ihren Nutzen zu erhöhen. Die nötige Prise Humor darf auch nicht fehlen. Im Übrigen fordern wir in diesem Hacker-Buch ja auch dazu auf, unsere eigenen Hacks zu hacken!

(*) Hacker Citizen. Le guide de survie en milieu urbain, Geoffrey Dorne, Tind Editions, 136 Seiten, 24,90 Euro.

 

18/05/2017