Smart Home wird Teil des Geschäftsmodells im Immobilienbereich
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Das Smart Home bietet dem gesamten Immobiliensektor umfassende Innovationsmöglichkeiten und generiert nicht nur neue Angebote, sondern auch Geschäftsmodelle. Interview mit Diego Harari, Leiter Nachhaltige Entwicklung und Innovation bei VINCI Immobilier, und David Ernest, Leiter Innovation und Energie bei VINCI Facilities.
Inwiefern kann die Digitalisierung unser Zuhause revolutionieren?
Diego Harari. Indem mehr Service möglich wird. Im Wohnungssektor bedeutete Service lange Zeit, dass sich ein Hausmeister um das Gebäude und seine Bewohner kümmerte. Aber Hausmeister ist heute ein aussterbender Beruf. Hier springt die Digitalisierung in die Bresche und bietet mehr Service nicht nur in Mehr-, sondern auch in Einfamilienhäusern. Der Mehrwert ist beträchtlich.
David Ernest. Das Smart Home folgt außerdem der Logik des Marktes. Gegenüber der digitalen Revolution in allen Bereichen der Gesellschaft sind die eigenen vier Wände ins Hintertreffen geraten. Diesen Rückstand gilt es jetzt aufzuholen, zumal die „Millenials“, die sich ein Leben in „rein analogen“ Wohnungen gar nicht vorstellen können, als Kunden an Relevanz gewinnen.
Was muss diese neue Value Proposition umfassen?
D.H. Reden wir zunächst über die privaten Flächen in Mehrfamilienhäusern. Hier muss die Innovation für anpassungsfähige, offene Lösungen sorgen. Es ist wesentlich, dass unsere Kunden und die Bewohner die von uns bereitgestellten Lösungen je nach Bedarf erweitern und anpassen können. Diese müssen auch anderen Dienstleistern offenstehen. Welchen Sinn hätte es beispielsweise, die Wohnungen älterer Menschen mit allen möglichen Notfallsensoren auszustatten, wenn im Alarmfall kein Pflegedienst erreichbar ist?
Und was ist mit den gemeinsam genutzten Bereichen?
D.H. Wir beginnen in Häusern mit Eigentumswohnungen mit der Implementierung „gemeinsamer“ Services: Smart Boxes, in denen Pakete oder Lieferungen abgestellt werden können, wenn die Bewohner nicht zuhause sind, ein E-Concierge, der in den Geschäften in der Nachbarschaft Besorgungen für die Hausgemeinschaft erledigt, Carsharing, gemeinsam genutzte Parkplätze usw.
D.E. Die Anpassungsfähigkeit und Offenheit der Systeme sind tatsächlich entscheidend. Aber neben der Art der Anwendungen und Funktionen, die wir in jedes neue Wohngebäude integrieren, ergibt sich die Value Proposition hauptsächlich aus dem Wohnkomfort für den Endkunden. Dabei kommt es zunächst auf möglichst bedienerfreundliche Lösungen an: So müssen die Kunden von einer einzigen App aus auf die gesamte Servicepalette zugreifen können. Alle Servicemodule müssen also mit einer einzigen Anwendung gemanagt werden können.
Das setzt eine Zusammenarbeit der verschiedenen Anbieter im Immobiliensektor voraus.
D.E. Die digitale Revolution stellt die gesamte Wertschöpfungskette im Immobilienbereich auf den Prüfstand. Das Gewerbe muss Fragen beantworten, die zukünftig strukturgebend für seine Innovationen und Angebote sein werden: Wer macht was, wer übernimmt was von wem und an welchem Punkt, wie sind die Zuständigkeiten verteilt? Dabei kommt es letztlich darauf an, eine umfassende Angebotspalette mit hohem Mehrwert zusammenzustellen.
D.H. Partnerschaften sind von kapitaler Bedeutung. Als Bauträger müssen wir für jede Problematik die bestmögliche Lösung auswählen. Im Dezember 2017 lieferte VINCI Immobilier in Blagnac (bei Bordeaux) ein vernetztes Gebäude mit 78 Wohneinheiten aus, dessen Smart-Home-Infrastruktur von einem wahren Expertenpool implementiert wurde: Legrand kümmerte sich um die Rollläden und die Beleuchtungssteuerung, Netatmo um den intelligenten Thermostaten, Ista war für die Fernablesung der Zähler zuständig und die französische Post für das Digital Hub, mit dem sämtliche Funktionen gesteuert werden.
Welche Auswirkungen hat all das auf das Geschäftsmodell der Branche?
D.E. Das Smart Home sorgt dafür, dass die verschiedenen Tätigkeiten entlang der Wertschöpfungskette enger zusammenrücken. Der Bauträger verlegt seine Wertschöpfung nach hinten, während das Facility Management weiter nach vorne rückt, um die vom Bauträger implementierten Software-Schnittstellen mit Serviceangeboten zu bestücken. Das gilt sowohl für die technische Instandhaltung als auch für Hausmeisterdienste. Ein perfekter Service ist aber nur möglich, wenn der Mensch im Mittelpunkt steht – das darf man nie vergessen.
17/09/2018