Transiente Störungen im Stromnetz werden nur selten analysiert, obgleich sich daraus wichtige Aufschlüsse über die Betriebstüchtigkeit ableiten ließen. Theorie und Praxis versuchen nun endlich Lösungen zu finden.
85 – 90% der im Stromnetz auftretenden Störungen sind sogenannte „vorübergehende“ oder „transiente“ Fehler. Die meisten werden durch nicht vorhergesehene Naturereignisse, u.a. durch Gewitter oder durch Windböen den Leitungen zu nahe kommende Bäume, ausgelöst. Häufig gehen sie durch ein automatisches Wiedereinschalten (ob unterirdische Leitung oder Freileitung) spurlos vorüber.
Netzbetreibern helfen, Störungen besser in den Griff zu bekommen, um so die Leistung, Zuverlässigkeit und Servicequalität zu verbessern.
Mitunter haben sie jedoch auch ernstliche Folgen: „Leitungsnetze sind redundant ausgelegt und können daher transienten Störungen standhalten. Es kann aber auch vorkommen, dass eine Kleinigkeit eine ganze Kette von Fehlern auslöst. Die Ursache für einen großen Blackout wie 2003 in Italien liegt generell in einem technischen oder menschlichen Versagen, das zusätzlich zur ursprünglichen Beschaffenheit des Netzes hinzukommt“, erklärt Thierry Baré, Senior Technical Expert im Unternehmensbereich Transport und Umwandlung von Energie bei VINCI Energies.
Durch das Erfassen und Auswerten von Daten gelingt es, diesen vorübergehenden Phänomenen besser entgegenzuwirken. VINCI Energies hat dafür die Software FACES entwickelt, mit der sich Fehler genau orten lassen, was dazu beiträgt, „die Betriebskosten zu reduzieren und die Verfügbarkeit zu erhöhen, da die gestörte Komponente wieder schneller zugeschaltet werden kann“, so Thierry Baré. Er fügt hinzu: „Mit FACES lassen sich alle Störungsdaten automatisch analysieren und versteckte Fehler im Voraus erkennen.“ Das für alle Stromtransportnetze geeignete FACES-System ist ein Omexom-Angebot (VINCI Energies) für alle Kunden ob in Europa, Afrika, im Mittleren Osten, in Australien, Neuseeland, Asien oder Südamerika.
Transiente Vorgänge werden in spezialisierten Instituten wie der TH Montreal erforscht. Dort hat ein von der Industrie gesponserter Lehrstuhl Fehlersimulationsmethoden für Analysezwecke entwickelt. Die Forschungsarbeiten sollen Netzbetreibern helfen, Störungen besser vorherzusehen, um so die Leistung, Zuverlässigkeit und Servicequalität der Leitungsnetze zu verbessern. Darüber hinaus lässt sich dadurch auch die Einspeisung regenerativer Energien optimieren.
„Bestehende Berechnungs- und Simulationsmethoden sollen dadurch auf eine rasche Analyse im Störfall ausgeweitet werden“, erläutert Thierry Baré. „Als letzter Schritt müsste dann der mit unseren Daten gespeiste Simulator sofort die ideale Problemlösung aufzeigen.“
In beiden Fällen geht es darum, die Leistungsfähigkeit von Stromnetzen weiter zu erhöhen. „Es wird immer schwieriger, neue Hochspannungsleitungen zu bauen, und unterirdische Leitungen sind teuer. Unser System verfolgt ebenso wie die Arbeiten des Lehrstuhls einen gesamtheitlichen Ansatz, der darin besteht, die Möglichkeiten der Technik maximal auszuschöpfen, um teure Investitionen und Störfälle weiter nach unten und die Verfügbarkeit nach oben zu schrauben“, schließt Thierry Baré.
17/10/2017