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Immer mehr Initiativen beschäftigen sich mit der Dekarbonisierung der Seeschifffahrt. Selbst wenn Flüssigerdgas als Brückentechnologie bereitsteht, liegt die Zukunft in E-Fuels und möglicherweise… auch in Segelschiffen.

Die europäische Verordnung FuelEU Maritime sieht bis 2050 eine Verringerung des Treibhausgasausstoßes von Schiffen um 80 % vor. Vor diesem Hintergrund erscheinen E-Kraftstoffe als gangbare, klimafreundliche Alternative zum Schweröl. In diesem Fall bräuchten kaum Änderungen an den Schiffsantrieben vorgenommen zu werden. Es gibt bereits mehrere Lösungsansätze mit unterschiedlichem Reifegrad, und die Initiativen werden immer zahlreicher.

Wasserstoff – vielversprechend, aber knapp

Mit klimafreundlichem Strom hergestellter Wasserstoff ist eine ernstzunehmende, echte Alternative. „Neben der Tatsache, dass bei der Verbrennung von Wasserstoff lediglich Wasserdampf entsteht, enthält er auch dreimal mehr Energie als Erdgas“, erläutert Nicolas Dattez, Leiter Wasserstoffentwicklung bei VINCI Energies und zuständig für die Koordinierung der Wasserstoffprojekte des VINCI-Konzerns bei Léonard, der Zukunftsforschungs- und Innovationsplattform von VINCI.

Allerdings hat er eine geringe Dichte. Um ihn für Lagerung und Transport zu komprimieren oder zu verflüssigen und in diesem Aggregatzustand zu halten, sind Spitzentechnologie und kostspielige Verfahren notwendig“, fügt er hinzu.

Auch wenn derzeit im Wettrennen um eine klimafreundlichere Seeschifffahrt vermeintlich Flüssigerdgas (LNG) die Nase vorn hat, dürfte die Branche nur mithilfe von Wasserstoff ihre bis 2050 gesteckten Klimaziele erreichen können.

E-Kraftstoffe, eine Lösung zur Dekarbonisierung des Schiffsverkehrs ohne große Änderungen an den Antrieben.

Komprimierter Wasserstoff könnte auf kleinen Schiffen und kurzen Fahrten bereits heute zum Einsatz kommen. Es gibt immer mehr Projekte dieser Art. Hylias (Hydrogen for Land, Integrated renewables and Sea) von der Gruppe Europe Technologies plant ein erstes Schiff mit zwei 250 kW-Elektromotoren und zwei Brennstoffzellen, die mit 350 bis 400 kg Wasserstoff aus 350 bar-Hochdrucktanks an Bord gespeist werden.

Für mittlere Entfernungen, etwa auf bestimmten Fähren, ist der Einsatz von Flüssigwasserstoff denkbar. Im März 2023 stellte die norwegische Reederei Norled die erste mit Flüssigwasserstoff betriebene Fähre in Dienst. Das über 80 m lange Schiff nutzt zwei 200 kW-Brennstoffzellen und ein 1,36 MWh-Batteriepaket. Der als Treibstoff dienende grüne Wasserstoff wird in Spezialtanks bei -252,87°C gelagert.

Biomethanol und Windantrieb

Wie sieht es mit größeren Fahrzeugen wie etwa Containerschiffen aus? Dort sind die Einsatzbedingungen für reinen Wasserstoff ungünstiger.

Auf langen Fahrten ist es schwierig, genug komprimierten oder verflüssigten Wasserstoff mitzuführen“, unterstreicht Dattez. „Deshalb werden hier andere Lösungen untersucht, zum Beispiel Wasserstoffderivate wie Ammoniak, E-Methanol oder E-Methan.”

„Alle drei Stoffe werden mit erneuerbarer Energie aus grünem Wasserstoff hergestellt, wobei für die beiden letzteren zusätzliches Kohlendioxid (CO2) gebraucht wird“, fährt Dattez fort. Allerdings müssen für diese synthetischen Kraftstoffe erst noch entsprechende Produktionsanlagen entstehen. In der Zwischenzeit können Methanol oder Methan aus Biomasse synthetisiert werden. Man redet in diesem Fall von Biomethanol oder Biogas.

Auch in diesem Bereich wurden zahlreiche Initiativen gestartet. Im September 2023 taufte die dänische Reederei Maersk ihr erstes mit Biomethanol betriebenes Schiff, weitere 25 sind bestellt.

Die französische Reederei CMA CGM und der Energieriese Engie wiederum vereinbarten schon im November 2021 eine Partnerschaft zur Herstellung und Vermarktung klimafreundlicherer Kraftstoffe für die Schifffahrt. Unter anderem wird der Einsatz von verflüssigtem Biogas als klimaneutrale Alternative im Seeverkehr geprüft. 2024 wird die mit LNG betriebene Flotte von CMA CGM auf 44 Schiffe anwachsen.

Aber auch der von der Handelsschifffahrt lange vernachlässigte Windantrieb wird im internationalen Frachtverkehr wieder hoffähig. Der Michelin-Konzern hat Wisamo entwickelt, einen aufblasbaren Flügel, der an einem Teleskopmast gehisst bzw. gerefft und über eine automatische Schnittstelle gesteuert wird. Diese Technik wurde im Juli 2023 von der Stiftung Solar Impulse zertifiziert und ist durch ihr leistungsfähiges, aufblasbares Flügelsystem für den Antrieb von Schiffen aller Art geeignet.

Aber die einfachste Lösung ist immer noch, die Geschwindigkeit der Schiffe und damit ihren Verbrauch pro Kilometer zu verringern“, so Nicolas Dattez abschließend.


„Es gibt keine Universallösung”

Bruno Nicolas, Markendirektor Actemium, zu den „neuartigen Kraftstoffen“ und deren Wettbewerbsfähigkeit.

Was sind heute die wettbewerbsfähigsten „neuartigen Kraftstoffe“?

Kurzfristig ermöglicht LNG – immer noch ein fossiler Energieträger – die Verringerung der CO2– und Feinstaubemissionen. Es ist eine Brückentechnologie auf dem Weg zu „grüneren“ Kraftstoffen, Bio- und E-Kraftstoffen, die zukünftig ohne Änderungen an den Motoren und Tanks der ursprünglich für LNG konzipierten Schiffe eingesetzt werden können.

Sie sagen „zukünftig“…

Biokraftstoffe werden bereits in geringen Mengen, aber zu vernünftigen Kosten hergestellt. Das reicht aus, um die Beimischungsverpflichtungen bis 2030 zu erfüllen. E-Kraftstoffe hingegen sind noch in der vorindustriellen Entwicklung. Ihre Herstellung ist aufgrund der vielen, hintereinandergeschalteten Prozessschritte kostspieliger und erfordert reichlich klimafreundlichen Strom.

Welche Faktoren beeinflussen die Wettbewerbsfähigkeit dieser neuartigen Kraftstoffe?

Die Wettbewerbsfähigkeit der E-Fuels gegenüber fossilen Kraftstoffen hängt von drei Faktoren ab: Den Investitionskosten, der Verfügbarkeit kostengünstigen, klimafreundlichen Stroms und der Höhe der CO2-Steuer. Die Mischung von Bio- und E-Kraftstoff ist eine mögliche Lösung, um den Literpreis wettbewerbsfähiger zu machen. Die Umsetzung verpflichtender internationaler Standards (im Rahmen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation), verbunden mit staatlichen Anreizen, ist zur Beschleunigung der Energieeffizienz im Seeverkehr unabdingbar.

Welche Lösungen sind langfristig am vielversprechendsten? 

Es gibt keine Universallösung. Nur die Kombination aus verschiedenen Lösungen ermöglicht die Erreichung der angepeilten Ziele. Das Ergebnis hängt stark von den Produktions- und Versorgungskapazitäten mit alternativen, klimafreundlichen Kraftstoffen ab.


Alternativen zu fossilen Kraftstoffen

  • Strom. Für kurze Entfernungen aufgrund der Größe der Batterien.
  • Wasserstoff. Klimafreundlich, wenn er mit erneuerbarer Energie erzeugt wird. Allerdings schwer zu lagern und zu transportieren.
  • E-Ammoniak. Kostengünstig, leicht zu lagern, aber sehr giftig.
  • Biogas. Wird aus Biomasse hergestellt und ist deshalb nur in begrenzter Menge verfügbar.
  • Biomethanol. Biokraftstoff aus Biomasse.
  • Sonstige Synthesekraftstoffe oder E-Fuels (E-Methan, E-Methanol usw.). Können herkömmliche Kraftstoffe einfach ersetzen, aber ihre Herstellung steht erst am Anfang und noch sind sie recht teuer.
  • Kernkraft. Null Treibhausgase und große Unabhängigkeit, allerdings gibt es Sicherheitsbedenken.
  • Windkraft. Beste Klimabilanz, erfordert allerdings einen Zusatzantrieb.

 

16/04/2024