Wie uns additive Fertigung der Industrie der Zukunft näher bringt?
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Sie liegt voll im Aufwind und gehört zu den zahlreichen technologischen Neuerungen im Zeichen von Industrie 4.0. Was bringt sie der Fabrik der Zukunft wirklich?
„Additive Fertigung? Eine wahre Umwälzung in der Verfahrenstechnik“, sind die ersten Worte von Alexandre Mandon, Verkaufsingenieur bei Actemium Saint-Etienne Process Solutions (VINCI Energies). Additive Fertigung, d.h. das schichtweise Auftragen von Material zur Herstellung eines Bauteils, ist exakt das Gegenteil herkömmlicher – subtraktiver – Fertigungsverfahren, bei denen Material weggenommen wird.
Ablagern eines Kunststoffstrangs, Photopolymerisation, Laserfusion… Diese Verfahren gibt es bereits, um „komplexe Bauteile in einem Stück zu fertigen – bis vor Kurzem ein Ding der Unmöglichkeit“, fügt Thomas Leseigneur, Innovation Manager bei Actemium, hinzu. „Auch das Produktdesign wird vereinfacht und beschleunigt, wenn digitalisierte Modelle als Arbeitsbasis dienen. Dadurch verkürzt sich die Markteinführungszeit“, ergänzt er.
„Additive Fertigung macht ein Produktdesign mit Multimaterialwerkstoffen möglich.“
Der breiten Öffentlichkeit sind 3D-Drucker mit Kunststoffen als Ausgangsmaterial bekannt; das sind jedoch bei weitem nicht die einzigen Werkstoffe, die industriell eingesetzt werden: Metalle, Keramiken und Polymere sind ebenfalls mit von der Partie. „Aber gleich, um welchen Werkstoff es sich handelt, die Vorteile der additiven Fertigung sind stets dieselben. Es ist die Zweckbestimmung des Bauteils, die vorgibt, welches Material zu verwenden ist“, merkt Alexandre Mandon an.
Der Ingenieur von Actemium Saint-Etienne Process Solutions fügt hinzu: „In der Metallfertigung sind die unterschiedlichsten Legierungen und Superlegierungen, ob Stahl, Titan, Nickel, Chrom oder Kobalt, möglich. Dank additiver Fertigung lassen sich Bauteile konzipieren, die sich aus mehreren Werkstoffen zusammensetzen, um unterschiedliche physikalische Merkmale von Metallen zu nutzen, beispielsweise für Bauteile mit duktilen Eigenschaften auf der einen und stark wärmeableitenden Merkmalen auf der anderen Seite.“
On-Demand
Prozesstechnisch bietet die additive Fertigung den erheblichen Vorteil, mit einem hohen Gewinn an Effizienz On-demand-Produkte liefern zu können. „Die Frist zwischen Bestellung und Auslieferung ist kurz, der Flexibilitätsgewinn enorm und zusammen mit der verkürzten Herstellzeit sind damit bereits etliche Schlüsselaspekte von Industrie 4.0 gegeben“, setzt Alexandre Mandon fort.
„Auch On-demand-Ersatzteile lassen sich auf diesem Weg herstellen. Für die Industrie bedeutet das eine geringere Vorratshaltung und eine Lösung für das Problem der programmierten Obsoleszenz, da nicht mehr erzeugte Teile nachgebaut werden können. Es ist sogar möglich, einen Bauteil zu scannen und das Modell direkt an den 3D-Drucker weiterzuleiten“, setzt Thomas Leseigneur fort.
Heute wird additive Fertigung hauptsächlich zur Herstellung von Prototypen und bestimmten, in der Robotik eingesetzten Komponenten herangezogen, zum Beispiel für mechanische und pneumatische Greifer an der Schnittstelle zwischen Roboter und Bauteil. „Auch hier bringt das System einen großen Zeitgewinn“, unterstreicht Thomas Leseigneur. „Prototypen herzustellen, zu erproben und gegebenenfalls abzuändern, wird zum Kinderspiel. Bauteile lassen sich als Einzelstücke oder in Kleinserien fertigen.“
Intelligenz als Herzstück der Produktion
„Bei Industrie 4.0 geht es darum, besser und schneller zu produzieren, aber vor allem auch digitale Prozesse anzuwenden“, ruft Alexandre Mandon in Erinnerung. Genau das ist mit additiver Fertigung möglich, die den Weg für zahlreiche Erzeugnisse ebnet, für die es heute kein Herstellverfahren gibt.
Dazu zählt die eingebettete Intelligenz. „Wir sind heute in der Lage, komplexe Formen additiv zu fertigen und elektronische Komponenten in die Verfahrenstechnik oder in Bauteile zu integrieren, um in Echtzeit den Betriebszustand erfassen und die Daten an ein Überwachungssystem weiterleiten zu können.“ Hier zeichnet sich ein wahrer Sprung im Sinne einer effizienteren prädiktiven Wartung ab.
14/06/2018