Wird sich die Arbeit des Wartungstechnikers von morgen auf die Überwachung von Robotern beschränken?
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Drohnen und Roboter haben sich in den letzten Jahren in die Vielzahl an Technologien zur Unterstützung von Wartungs- und Instandhaltungsteams eingereiht. Sie erkennen Lecks, bessern Fahrbahnen aus, überwachen Stromleitungen und messen die Energieeffizienz von Gebäuden … Mit anderen Worten: Sie übernehmen Aufgaben, die bisher von Wartungstechnikern aus Fleisch und Blut ausgeführt wurden. Werden die Berufe der Wartung und Instandhaltung unter den ersten sein, die der Automatisierung zum Opfer fallen? Können Maschinen mit – in der Praxis häufigen – unvorhergesehenen Ereignissen umgehen? Ist es für den Menschen – für den Wartungstechniker und das Unternehmen, das ihn beschäftigt – wirklich von Vorteil, wenn Roboter, KI und sonstige autonome Systeme Einzug halten? The Agility Effect hat dazu Bilal Kaddouh, Forscher an der Universität Leeds, befragt. Der Experte für autonome Systeme arbeitet im Rahmen des britischen Forschungsprogramms Self-Repairing Cities an innovativen Maintenance-Konzepten für die Zukunft. Als erfahrener Drohnenpilot ist er überzeugt davon, dass Mensch und Maschine gleichermaßen ihren Platz haben. Hier die Begründung.
Welche Art von Wartung und Instandhaltung lässt sich automatisieren?
Bei städtischen Infrastrukturen lassen sich zahlreiche Aufgaben automatisieren – bereits heute und noch sehr viel mehr in Zukunft. Die eigentliche Frage sollte jedoch lauten: Was bringt uns die Automatisierung? Übertreffen die Vorteile etwaige Risiken, die daraus erwachsen können. Wichtig ist auch die Frage nach der Akzeptanz der Bürger.
Nehmen wir als Beispiel das Schneiden von Bäumen. Rein technisch gesehen wäre es möglich, diese Aufgabe einem mit Schneidwerkzeugen ausgerüsteten Roboter zu übertragen. In der Praxis wird das nicht geschehen, da diese Arbeit mit einem hohen Unfallrisiko verbunden ist und ein solches Vorgehen wahrscheinlich auch ohne Unfall von der Öffentlichkeit schief angesehen werden dürfte. Es würde spontan Befürchtungen auslösen – selbst wenn für die Sicherheit gesorgt ist.
Rasch automatisiert dürften jedoch andere Vorgänge wie die Straßenreinigung und die Abfallentsorgung werden. Eine erste Automatisierungsstufe wird gewiss bald in der Wasserwirtschaft und im Straßendienst Realität werden.
Welche Arten von autonomen Geräten und automatisierten Systemen sind in der Infrastrukturerhaltung denkbar?
Roboter und automatische Steuerungen sind nicht dasselbe. Natürlich ließe sich ein mit Sensoren und vernetzten Schaltgeräten gespicktes Stromnetz mit einem gigantischen Roboter vergleichen. Anvisiert werden jedoch eher kleine autonome Roboter, die sich rollend, kriechend und gleitend fortbewegen und hauptsächlich für Inspektionszwecke dienen: für Wasser- und Abwasserleitungen, unterirdische Systeme etc. Generell werden sie über ein angeschlossenes Kabel gesteuert.
Drohnen sind halbautonome Fluggeräte. Zu 100 Prozent autonome Geräte sind aufgrund der strengen Flugvorschriften nicht zugelassen. Sie müssen immer von einem Piloten gesteuert werden. Drohnen werden heute für Routineinspektionen und Wärmekarten zur Messung der Energieeffizienz von Gebäuden eingesetzt.
Für Erhaltungsarbeiten sind zahlreiche Nutzfahrzeuge – Bagger, Bulldozer, Lastwagen – bereits mit fortschrittlichen automatischen Steuerungen ausgestattet. Die Arbeit der Maschinenführer wird durch eine Vielzahl von Sensoren erleichtert. Einige Baggermodelle zum Aufreißen von Straßengräben verfügen beispielsweise über Systeme zum automatischen Erkennen und Orten unterirdischer Leitungen.
Welche Vorteile bringt die Automatisierung?
Einer der Hauptbeweggründe für die Automatisierung ist das geringere Risiko für Arbeitnehmer. Automatisierung kann auch die Qualität und Effizienz von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten verbessern, Kosten und Zeit sparen und die Präzision erhöhen.
Automatisieren bedeutet jedoch auch fast immer ein Verändern der bisherigen Vorgehensweise. Heute ist es beispielsweise möglich, mittels 3D-Druck Fahrbahnrisse zu reparieren. Dazu dienen Maschinen, die bereits eine beginnende Rissbildung erkennen und Risse füllen können. Fazit: Die Straßenerhaltung erfolgt präventiv, bevor sich Schlaglöcher bilden. Bisher rückte der Straßendienst erst dann aus, wenn Meldungen über vorhandene Schlaglöcher vorlagen. Eine neue Technologie geht somit auch stets mit einem Paradigmenwechsel einher. Eine organisatorische Veränderung des Erhaltungsmanagements.
Zugänglichkeit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Im Rahmen des Programms Self-Repairing Cities entwickeln wir Roboter, die ins Innere des Leitungsnetzes vordringen können. Die Idee ist, sie nicht nur in die Wasserleitungen zu schicken, sondern sie auch dort zu belassen, sodass sie dank der Möglichkeit, sich selbst wieder aufzuladen, jederzeit für Inspektions- und Reparaturaufgaben zur Verfügung stehen. Im Unterschied zu kabelgesteuerten Robotern erübrigt es sich, die Straße aufzureißen, um Zugang zu den Leitungsrohren zu erhalten, dann den Roboter auf Inspektionstour zu schicken und gegebenenfalls eine Reparatur vorzunehmen. Der Roboter bleibt auf Dauer im Herzen des Systems.
Ist menschliches Eingreifen weiterhin unerlässlich, um dann, wenn improvisiert werden muss, wieder das Kommando zu übernehmen? Denn dazu sind autonome Systeme ja nicht in der Lage.
Ja. Die Geräte inspizieren zwar autonom, senden jedoch Daten über das, was sie sehen und machen, an den Wartungs- und Instandhaltungsdienst. Es ist nach wie vor der Mensch, der die Entscheidung trifft. Wenn ein Roboter ein Leck ortet, aber nicht die Ursache erkennt, wird der Wartungstechniker informiert. Er sucht dann auf Basis seiner eigenen Annahmen und mit seinen eigenen Methoden weiter.
Ist Automatisierung für Teams, die sich ständig auf autonome Systeme stützen, nicht mit dem Risiko von Wissens- und Know-how-Verlust verbunden?
Hinter dieser Frage stehen mehrere Aspekte. Das Wissen und die Entscheidung, wie vorzugehen ist, bleibt Aufgabe der Instandhalter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns auf eine Zukunft zubewegen, in der sich Maschinen um die städtischen Systeme kümmern und niemand weiß, was sie tun bzw. wo und warum. Es wird immer Leitwarten und von der Maschine übermittelte Berichte geben, mit deren Hilfe die Menschen den Gesamtüberblick und ihre Entscheidungsgewalt wahren.
Hinsichtlich der Frage, ob die Übertragung von Know-how von Maschine zu Maschine leichter ist als von Mensch zu Mensch und ob das Wissen erfahrener Wartungstechniker verloren zu gehen droht, sei daran erinnert, dass sich die Menschen sehr gut darauf verstehen, alles, was sie machen und wissen, zu dokumentieren. Seit Langem schon hängen Fachwissen und das ausschlaggebende „Gewusst wie” nicht mehr von nur einer Person ab!
Und in puncto KI und maschinelles Lernen zur Empfehlung von technischen Lösungen, an die der Fachmann selbst nicht gedacht hat, wird das nur dann auf Akzeptanz stoßen und hat nur dann Chancen, umgesetzt zu werden, wenn der „Gedankengang“ klar und für den Menschen nachvollziehbar ist.
Einstellung, Weiterqualifizierung … Welche Veränderungen bringt die Automatisierung für den Wartungstechniker mit sich? Muss er sich zum Data Scientist umschulen lassen oder braucht er künftig nur mehr auf den Knopf zu drücken?
Das Erste, was mir bei dieser Frage einfällt, ist ein Traktor. Eines dieser Hightechmodelle der jüngsten Generation wie jene, die auf Großfarmen in der amerikanischen Landwirtschaft eingesetzt werden. Sie sind hoch automatisiert, mit zahlreichen Sensoren bestückt, können selbstständig fahren und ernten … Aber am Steuer sitzt nach wie vor ein Farmer und kein Ingenieur! Das Geheimnis? Die Farmer haben spezielle Schulungen absolviert, um die Technologie zu verstehen und sie anzuwenden. Dieses Beispiel lässt sich meines Erachtens auch auf andere Branchen und die dort eingesetzten Automatisierungslösungen übertragen. Oder chirurgische Roboter: Niemand wird auf die Idee kommen, einen Ingenieur in den OP zu setzen, um den Roboter zu steuern. Es ist der Chirurg, der gelernt hat, damit umzugehen und der ihn führt.
In der Ingenieurkunst richtet sich der Fokus stets darauf, für wen die Technologie gedacht ist, damit diese mit mehr oder weniger hohem Automationsgrad an den Nutzerbedarf angepasst werden kann. Dazu ein Beispiel: Bei der Steuerung von Drohnen war vor sieben oder acht Jahren noch alles manuell. Von außen hat sich nichts oder fast nichts geändert. Heute können Drohnen eigenständig fliegen, und wenn der Pilot wieder das Kommando übernimmt, stehen ihm als große Hilfe zahlreiche automatisierte Funktionen zur Verfügung. Resultat: Die Zahl der Nutzer hat sich vervielfacht, denn es ist heute nach zwei Stunden Schulung möglich, professionelle Drohnen zu steuern.
Für die Wartung und Instandhaltung bedeutet das, dass Werkzeuge, auch wenn sie künftig anders aussehen, nach wie vor Werkzeuge sind. Und selbst wenn diese Werkzeuge einen großen Teil der Arbeit eigenständig erledigen, würde ich nicht sagen, dass diejenigen, die sie bedienen, „Knopfdrücker“ sind. Denken Sie an alle, die am Computer arbeiten und den ganzen Tag nichts anderes tun, als Tasten oder Buttons zu betätigen. Auch die Techniker in der Leitwarte eines Atomkraftwerks bedienen Knöpfe. Entscheidend ist das Fachwissen, auf welchen Knopf, wann und warum zu drücken ist. Darin liegt die fachliche Kompetenz. Wenn es bei einem automatisierten System Knöpfe gibt, dann sind sie per definitionem unerlässlich … Andernfalls wäre die Funktionalität in den Steueralgorithmus eingebaut worden!
Gibt es Automatisierungslösungen für die persönliche Ausrüstung von Wartungstechnikern?
Abgesehen von Robotern und automatischen Steuerungen gibt es effektiv Fälle, in denen die Technologie eine direkte Unterstützung beim Wartungseinsatz bieten kann. Vorstellbar wären Exoskelette für Maintenance-Arbeiten auf Erdölplattformen. Eine solche die Leistungskraft steigernde Ausrüstung könnte von Vorteil sein, wenn eine Aufgabe bezüglich ihrer Art und Zugänglichkeit für Roboter nicht in Frage kommt.
Im militärischen Bereich veranschaulicht das Augmented Reality Head-up-Display im Helm eines F35-Jagdbomberpiloten sehr gut, wie ein „Cyborg“- im Gegensatz zu einem Roboter-Ansatz aussehen könnte: eine Symbiose zwischen Maschine und Mensch. Als Beispiel auf einer bescheideneren Ebene wird die Karosserie heute bei manchen Automodellen sozusagen transparent. Außenkameras zeigen auf dem Bildschirm, was dem Blick bisher verborgen blieb. Zur Verringerung der Kollisionsgefahr wird dieses Konzept auch bei Baumaschinen, z. B. im Fahrerhaus bestimmter Kräne, umgesetzt.
10/10/209