2015 startete der französische Eisenbahnkonzern ein ehrgeiziges Digitalisierungsprogramm namens Digital SNCF. Vier Jahre später ist Digitaltechnik in allen Bereichen des Unternehmens präsent. Hierzu eine kurze Erläuterung.
Seit dem Go-Live der Webseite Voyages-SNCF.com zu Beginn der 2000er Jahre, heute Oui.SNCF, hat die digitale Transformation des Konzerns immer weitere Kreise gezogen. Die große digitale Wende erfolgte jedoch 2015. Damals hat die SNCF eine eigene Direktion dafür eingerichtet und so die Digitalisierung in allen Sparten zügig vorangetrieben.
„Das im selben Jahr eingeführte Programm Digital SNCF sollte den gesamten Konzern in diese Transformation einbinden“, ruft Olivier Reinsbach in Erinnerung, Leiter des Bereichs „574“* („Digitaltechnik-Sites“) und Kommunikation in der Generaldirektion von e.SNCF.
Das weiterhin aktuelle Programm umfasst vier Ziele: ein reichhaltigeres Kundendienst-Angebot, Arbeitserleichterung für die Mitarbeiter, eine bessere Unternehmensleistung sowie eine verstärkte Personal- und Zugsicherheit.
Digital SNCF wurde in aufeinanderfolgenden „Wellen“ eingeführt. Welle eins umfasste den Bereich Großprojekte und die „574“-Standorte, eine Mischung aus Coworking Spaces, Showrooms und Fab Labs, auf den Weg gebracht. Heute gibt es fünf solcher Standorte (Saint-Denis, Nantes, Toulouse, Lyon und Lille). Ein sechster wird 2020 in Marseille eröffnet.
Diese „Digitaltechnik-Sites“ sind eine Art Fab Lab, d. h. Kompetenzzentren für die diversen Digitalisierungsprojekte des Unternehmens (Design, IoT, Big Data, Open Innovation).
Der Start der drei weiteren Digital SNCF-Wellen folgte Schlag auf Schlag: zunächst operative Projekte für die IoT-Nutzung und Datenanalyse, dann neue Dienstleistungen für Kunden und schließlich Big Data und das damit verbundene Transformationspotenzial.
Organisation und Equipment
2016 erfolgte der Startschuss für den Konzernumbau mit Anpassung an das Digitalzeitalter. Die Bereiche Digitalisierung und IT-Systeme wurden in der neuen Direktion e.SNCF zusammengelegt, die seit September 2019 von Henri Pidault geleitet wird, dem früheren Leiter des Eisenbahnkonzerns für digitale Performance.
„Parallel dazu wurden natürlich die Hard- und Software (mobile Endgeräte, kollaborative Tools…) angepasst und Schulungen abgehalten“, unterstreicht Olivier Reinsbach. Dazu diente das Programm „Digitalisierung für alle“ mit dem Ziel, für das Rollout und die Nutzung dieser kollaborativen Tools durch die Mitarbeiter zu sorgen.
Darüber hinaus wurde ein Team aus ca. 60 Digitalbeauftragten, den sogenannten „Digital Champions“, eingerichtet. Sie sind Treibkräfte und Koordinatoren für diese von der Natur der Sache her bereichsübergreifende Thematik.
„Es ist nicht einfach, alle zu schulen. Daher stützen wir uns auch auf das Middle Management und den Kollegenkreis.“
„Es ist natürlich nicht einfach, alle zu schulen. Daher stützen wir uns auch auf das Middle Management und den Kollegenkreis. Die bereits weiter Fortgeschrittenen helfen, die anderen mitzuziehen“, erklärt Olivier Reinsbach.
Der Leiter des Bereichs „574“ und Kommunikation der Generaldirektion e.SNCF spricht auch „Reverse Mentoring“ an. „Es dient dazu, die digital am wenigsten Versierten, vor allem ältere Mitarbeiter, aber nicht nur, mit an Bord zu nehmen“. In den letzten vier Jahren haben 500 Bedienstete des Eisenbahnunternehmens verschiedener Bereiche, Positionen, Regionen und Altersgruppen von diesem generationsübergreifenden Programm für digitale Wissensweitergabe, kollaboratives Arbeiten mit digitalen Tools und neue Trends in Sachen digitaler Mobilität profitiert.
Betriebliche Anwendungen
Die digitale Wende äußert sich in allen SNCF-Sparten – Infrastrukturen, Vertrieb, rollendes Material usw. – in Form zahlreicher Initiativen und Leistungen
Die SNCF-App wurde 11 Millionen Mal heruntergeladen. Als wahrer Mobilitätsassistent begleitet sie den Fahrgast in Echtzeit von Tür zu Tür. In Zukunft wird damit auch das kontaktlose Zahlen und Vorzeigen von Fahrkarten per Mobiltelefon möglich sein.
Eine weitere operative App jüngeren Datums ist der Haltograf, ein robotergestütztes System zur automatischen Graffiti-Erkennung auf Regionalzügen, das ein optimiertes Reinigen ermöglicht.
Mit Hilfe des auf künstliche Intelligenz, 4G und Datenübertragung spezialisierten Start-up Elter testet die SNCF derzeit im südfranzösischen Nîmes ein System, das, gleich welche Bedingungen herrschen, bei Tag oder Nacht bzw. Regen, Bilddaten erfasst wie z.B. mit Graffiti besprühte Lokführerkabinen, Nummernschilder und sonstige Graffiti und deren Größe bestimmt.
Dieses System könnte zu einer Plattform ausgebaut werden, um noch weitere Daten für rollendes Material zu erfassen.
*574,8 km/h ist die 2007 realisierte Spitzengeschwindigkeit der SNCF und damit zugleich Weltrekord auf der Schiene.
23/07/2020