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Standpunkte von Persönlichkeiten, Topmanagern, Forschern, Meinungsführern zu einem aktuellen oder strukturgebenden Thema in Bezug auf digitale Transformation und Energiewende.

Künstliches Licht ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, schadet aber der biologischen Vielfalt. Um dessen Auswirkungen auf Fauna und Flora zu verringern, sorgt moderne Technik für eine bedarfsgerechte nächtliche Beleuchtung, die obendrein Energie spart.

@Xavier Boymond

Gefahr für Fauna und Flora

Für den Rückgang der Artenvielfalt wird meistens der Klimawandel verantwortlich gemacht, bisweilen aber auch die Lichtverschmutzung, die erst seit kurzer Zeit einer breiteren Öffentlichkeit ein Begriff ist. Dabei stellt der massive Rückgriff auf künstliche Beleuchtung eine echte Belastung für unser Ökosystem dar; das haben in den letzten 15 Jahren zahlreiche Studien gezeigt. Das Fazit dieser Untersuchungen ist beunruhigend. Künstliches Licht stört die Fortpflanzungszyklen und Wanderungsbewegungen der nachtaktiven Fauna, die sich zu 30 % aus Wirbeltieren und zu 70 % aus Wirbellosen zusammensetzt. Es lenkt Insekten von ihrer Flugbahn ab, die so anderen Tieren als Beute verloren gehen.

Auf die Flora hat künstliches Licht eine noch viel stärkere Auswirkung, weil es den durch die Photosynthese ausgelösten Knospungsprozess der Blüten beschleunigt. Es wird auch eine erhöhte Sterblichkeit bei Bestäubern wie etwa Bienen beobachtet – darüber kann man immer häufiger in der Presse lesen. Diese Effekte mögen anekdotisch erscheinen, aber tatsächlich bringen sie das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht, zu dem, wie wir wissen, auch wir Menschen gehören. Und so zeigen sich auch bei uns Auswirkungen der Dauerbeleuchtung: Der Tag-Nacht-Rhythmus kommt aus dem Takt; Schlaflosigkeit, Aufmerksamkeits- und Hormonstörungen sind die Folge.

Zukunftsvision Smart Lighting

Im städtischen Umfeld, wo diese Lichtverschmutzung stattfindet, wurden Maßnahmen in mehreren Bereichen getroffen, um die vom Kunstlicht abhängigen menschlichen Tätigkeiten mit der Artenvielfalt in Einklang zu bringen: zunächst durch die Einführung neuer Laternen, die das Licht stärker nach unten auf die Straßen und Nutzer ausrichten und die Abstrahlung nach oben verringern. Dann mit der Einführung der energiesparenden LED-Technik. Und last but not least durch die Anpassung der „Lichttemperatur“: Man hat festgestellt, dass weißes Licht stärker stört, und setzt deshalb in letzter Zeit vermehrt auf warmweiße oder gelbliche Nuancen.

Aber Optimierung der nächtlichen Beleuchtung bedeutet vor allem Anpassung an das nächtliche Leben: An einem Winterabend ist die Nachfrage nach künstlichem Licht viel höher als im Sommer zur gleichen Uhrzeit. Eine nachhaltige Lösung erfordert deshalb die bedarfsabhängige Modulierung der Beleuchtung: Genau das macht Smart Lighting aus – eine intelligente, weil autonom arbeitende Lichttechnik, die herannahende Fußgänger oder Autos erkennt und die Lichtstärke zwischen 10 und 100 % herauf- und herunterregeln kann. Nach und nach hält diese Technik Einzug auf unseren Straßen und Plätzen, und auch wenn sie in der Anschaffung teurer ist als herkömmliche Lösungen, macht sie sich rasch durch geringere Energiekosten bezahlt.

Absprache zwischen privaten und öffentlichen Akteuren fördern

Die modulierende Beleuchtung ist eines jener seltenen Beispiele, bei denen mehr Leistung tatsächlich zu weniger Umweltauswirkungen führt. Das hat auch die Wirtschaft verstanden und bietet bei Beleuchtungsverträgen immer häufiger die Einbindung von Bewegungsmeldern an.

Aber damit solche Maßnahmen innerhalb einer ganzen Gebietskörperschaft greifen, muss auch die öffentliche Hand davon überzeugt werden. Deshalb richten die Städte in Frankreich so genannte grüne oder blaue Bänder ein, Bereiche mit reduzierter Beleuchtung zur Förderung der biologischen Vielfalt. Die Stadt Niort wurde 2013 zur französischen Biodiversitäts-Hauptstadt gewählt und plant in Zukunft sogar ein schwarzes Band ganz ohne künstliche Beleuchtung.

Man wird sich also nach und nach der Auswirkungen bewusst, die Städteplanung auf die Artenvielfalt hat – das hat maßgeblich mit dem Austausch zwischen öffentlichen Akteuren (Gebietskörperschaften) und privaten Beleuchtungsfirmen auf Plattformen wie der Association française de l’éclairage (AFE) oder dem Cluster Lumière in Lyon zu tun. Aber das beste Mittel zur Verringerung der Lichtverschmutzung ist und bleibt der Eingriff durch den Gesetzgeber. Zwar beinhalten die französischen Umweltgesetze Empfehlungen zum Thema Beleuchtung, aber echte Vorschriften wären deutlich wirksamer.

Es kann dabei nicht um die Abschaffung der künstlichen Beleuchtung gehen, sondern um einen Kompromiss zwischen menschlicher Aktivität und geringerer Lichtverschmutzung. Die neuen Technologien ermöglichen heute eine Verringerung der Auswirkungen der Beleuchtung auf die biologische Vielfalt bei gleichzeitiger Optimierung des Energieverbrauchs. Dazu muss öffentlichen wie privaten Akteuren vermittelt werden, dass sich solche Investitionen nicht nur lohnen, sondern obendrein zur Bewahrung eines Ökosystems beitragen, in dem auch wir Menschen leben.

 

17/09/2018

Xavier Albouy, VINCI Energies direktor

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